News | Newsletter | Neues zum Vergaberecht 03/2019
VK Rheinland erlaubt Lohnbremse
VK Rheinland, Beschluss vom 26.03.2019 VK 5/19
Integration ist sicherlich eines der drängendsten Themen heutzutage, das auch viele öffentliche Auftraggeber beschäftigt. Sie soll am besten schnell gehen und preiswert sein. Vor allem Kommunen beklagen sich, dass zu wenig Mittel zur Verfügung stünden. Eine neue Entscheidung der VK Rheinland macht öffentlichen Auftraggebern Hoffnung, Vergabeverfahren in Zukunft in preislicher Hinsicht zielgerichteter ausgestalten zu können.
Im von der VK Rheinland entschiedenen Fall hatte die Antragsgegnerin die Fortführung der Erprobung eines Integrationshelfer-Pools an sechs Grundschulen EU-weit im offenen Verfahren ausgeschrieben. In den Vergabeunterlagen war die Vorgabe enthalten, dass der Stundensatz aufgrund der begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel in der gesamten Laufzeit einen bestimmten Betrag nicht übersteigen dürfe, andernfalls werde das Angebot automatisch ausgeschlossen. Zuschlagskriterien waren zu 70 % der Angebotsinhalt und zu 30 % der Preis. Bis zum Ablauf der Angebotsfrist gingen mehrere Angebote ein, darunter das des Antragstellers, welches einen die Preisobergrenze überschreitenden Stundensatz enthielt. Nach erfolgloser Rüge ging der Antragssteller im Nachprüfungsverfahren unter anderem gegen diese verbindliche Vorgabe des Höchststundensatzes vor. Dieser sei unauskömmlich und habe einen ruinösen Preiswettbewerb zur Folge. Die Gewichtung des Preises mit lediglich 30 % widerspreche der in der Höchstpreisvorgabe zum Ausdruck kommenden überragenden Bedeutung des Stundensatzes.
Die VK Rheinland wies die Bedenken des Antragstellers zurück. Dabei bezog sie sich vor allem auf die Rechtsprechung des EuG und OLG Düsseldorf (EuG Urt. v. 13.09.2011 –T–8/09 ("Dredging International und Ondernemingen Jan de Nul / EMSA"); OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.05.2018 – Verg 24/17). Das OLG hatte entschieden, dass Kalkulationsvorgaben durch den öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich vergaberechtlich zulässig sind. Kalkulationsvorgaben förderten sogar die Chancengleichheit der Bieter, indem sie Spekulationsmöglichkeiten begrenzen, so das OLG Düsseldorf (a.a.O., Rn. 63).
Nach Auffassung der VK Rheinland ist die Höchstpreisvorgabe in den Vergabeunterlagen zulässig.
Dem EuG und OLG Düsseldorf folgend, hob die VK Rheinland hervor, dass es Zweck des Vergabeverfahrens sei, die Bedürfnisse des Auftraggebers zu den bestmöglichen Konditionen zu befriedigen. Dem entspreche auch die finanzielle Obergrenze. Auch spreche nichts dagegen, diese Obergrenze als Ausschlusskriterium vorzusehen, da die Bestimmung einer finanziellen Obergrenze im Rahmen des Leistungsbestimmungsrechts des Auftraggebers den Auftragsgegenstand präzisiere. Es sei für ihre Rechtmäßigkeit sogar ohne Bedeutung, ob die Höhe der Obergrenze angemessen sei, solange sie nicht willkürlich sei.
Eine Preiskomponente in Zuschlagskriterien einzubeziehen sei ebenfalls zulässig. Auch würde – entgegen des Einwandes des Antragstellers – durch eine finanzielle Obergrenze kein ruinöser Preiswettbewerb entstehen, da sich der Auftraggeber bei einer übermäßig niedrigen finanziellen Obergrenze selbst dem Risiko aussetze, dass kein befriedigendes Angebot abgegeben wird. Die Folge wäre eine Wiederholung des Vergabeverfahrens mit geänderten Voraussetzungen. Auch sieht die VK Rheinland keinen vergaberechtlich relevanten Widerspruch zwischen der Vorgabe eines Höchststundensatzes und der Gewichtung des Preises mit (lediglich) 30 %, da der Auftraggeber einen weiten Ermessensspielraum habe.
Praxistipp: Um dem Risiko zu begegnen, dass eine Preisobergrenze als willkürlich angesehen wird, sollte eine detaillierte Finanzierungsplanung erstellt werden und auch gewährleistet sein, dass die Preisobergrenze angesichts etwa von Haushaltsmitteln nachvollziehbar ist. Vorsicht ist auch bei Tarifverträgen geboten. Auftraggeber sollten sich im Vorfeld einer Ausschreibung genau darüber erkundigen, ob allgemeinverbindliche Tarifverträge bestehen, gegen die aufgrund von Tariftreuepflichten im Einzelfall womöglich verstoßen werden würde.
Im Ergebnis gewährt die VK Rheinland öffentlichen Auftraggebern ausdrücklich die in der Praxis nicht selten als notwendig empfundene Freiheit in eigener Preisgestaltung. Die VK Rheinland wertete das Vorliegen anderer Angebote in diesem Fall als Indiz dafür, dass die Preisobergrenze marktgerecht sei. Aus Sicht eines Auftraggebers wäre insofern durch eine sorgfältige Planung darauf hinzuwirken, dass mit einer hinreichenden Anzahl eingehender Angebote gerechnet werden kann. In jedem Fall sollten bei eigenen Preisvorstellungen des Auftraggebers die damit verbundenen rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken des Vergabeverfahrens genau geprüft werden.