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Wertungsentscheidung erfordert Sachkunde

Die Wertungsentscheidung ist vom öffentlichen Auftraggeber in eigener Verantwortung zu treffen. Dabei sollen die Bewerter, die mit dem Angebot einzureichende Konzepte beurteilen, eine hinreichende Sachkunde haben, um eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können. Im Regelfall empfiehlt sich, dass die Nutzer der Leistung, die der Auftragnehmer aufgrund des öffentlichen Auftrags erbringen soll, beteiligt werden. Nur so kann die Wertungsentscheidung nachvollziehbar dokumentiert werden.

VK Niedersachsen, Beschluss vom 28.11.2024, VgK-25/2024

Der Auftraggeber (AG) schrieb den Betrieb einer Flüchtlingsunterkunft und die soziale Betreuung der dort untergebrachten Personen europaweit aus. Nach der Bekanntmachung waren die Zuschlagkriterien der Preis und die Qualität. Die Qualität sollte aufgrund eines Konzepts über die soziale Betreuung bewertet, das die Bieter mit ihrem Angebot vorlegen müssen. Die Konzeptbewertung erfolgte anhand einer Bewertungsmatrix in der Leistungsbeschreibung, wobei der Preis mit 35 % und das Konzept mit 65 % gewichtet wurden. Beim Konzept wurden die Bereiche Beratung, Betreuung, Konfliktmanagement, Vernetzung und Qualität bewertet. Nach der Bewertung der Angebote teilte die AG der Antragstellerin (ASt) mit, dass der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen (Beige) erteilt werden soll. Zur Begründung führte sie aus, dass die Gesamtpunktzahl, mit der ihr Angebot bewertet wurde, niedriger als die der Beige sei. Gegen diese Entscheidung richtet sich - nach einer erfolglosen Rüge - der Nachprüfungsantrag der ASt. Darin zieht die ASt die Sachkompetenz der Bewerter in Zweifel.

Mit Erfolg! Die AG hat gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen. Sie hat die Angebote der ASt und der Beige in einer Weise gewertet, die es nicht zulässt, die Erwägungen nachzuvollziehen. An der Wertung des Betriebskonzeptes sollten Personen mit konkreter Sachkunde des maßgeblichen Betriebs beteiligt sein, was hier nicht der Fall war.

Das Transparenzgebot bedeutet, dass der öffentliche Auftraggeber die Wertung so durchführen muss, dass sie nachträglich nachvollziehbar ist. Diese Verpflichtung steht in einem Spannungsverhältnis zu dem bei jeder Beurteilung vorhandenen Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers. Zur Herstellung der Transparenz bei abstrakten Wertungskriterien - wie hier - bedarf es nach § 8 VgV einer vertieften Dokumentation. Der Auftraggeber muss seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind (siehe dazu auch die Besprechung der Entscheidung des BayObLG, Beschluss vom 07.05.2025, Verg 8/24, in diesem Newsletter).

Was den Vorwurf der mangelnden Sachkunde der Bewerter anbelangt, hat die Vergabekammer festgestellt, dass ein Auftraggeber vergaberechtlich nicht verpflichtet ist, eine technisch anspruchsvolle Entscheidung nur unter Hinzuziehung eines externen Sachverständigen zu treffen. Die Vergabeentscheidung ist vom Auftraggeber grundsätzlich selbst zu treffen. Ob er dabei sachkundige Hilfe heranzieht, steht ausschließlich in seinem Ermessen.

Die ASt - so die Vergabekammer - fühlte sich allerdings im Ergebnis zu Recht durch die dokumentierten Bewertungen unzureichend wahrgenommen. Ihre Forderung nach Sachkunde der Bewerter ist dem Grunde nach berechtigt. Zwar ist die Forderung nach einer bestimmten beruflichen Qualifikation überzogen. Denn der beruflichen Qualifikation steht die durch Berufserfahrung gewonnene Qualifikation als Auftraggeber gleich. Es ist aber eine gewisse Kenntnis der Bewerter vorauszusetzen. Bewährt und praktisch umsetzbar ist eine Zusammenarbeit zwischen dem jeweiligen Nutzer der vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistung und der Vergabestelle. Der für den Betrieb der Unterkunft zuständig Fachbereich der Kommune weiß am besten, was gefordert wird, weil man dort die größte Nähe zum Bedarf hat. Der an der Bewertung beteiligte Nutzer sollte die konkrete Unterkunft oder zumindest gleichwertige Einrichtungen und deren tägliche Arbeit kennen. Er sollte über die typischerweise auftretenden Schwierigkeiten informiert sein. Bei der Polizei gibt es dafür den Begriff: „in der Lage leben“.

Fazit

Der öffentliche Auftraggeber muss die Wertung so dokumentieren, dass sie nachträglich nachvollziehbar ist. Eine sachgemäße Bewertung ist dabei nur möglich, wenn die Bewerter, die die Konzepte in den Angeboten beurteilen und die Vergabeentscheidung treffen, eine hinreichende fachliche Kenntnis von den maßgeblichen Umständen haben. Einer bestimmten beruflichen Qualifikation bedarf es allerdings nicht.

Autor

Dr. Martin Büdenbender

Dr. Martin Büdenbender

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