Wie KI-gestützte OP-Roboter die Medizin verändern

»Skalpell bitte, Dr. Roboter!«

Im November 2022 stellte das US-amerikanische Softwareunternehmen OpenAI der breiten Öffentlichkeit seinen auf einem Large Language Model basierenden Chatbot mit dem Namen »ChatGPT 3.5« vor. Über Nacht sorgte das im Jahr 2015 in San Francisco, USA, gegründete Unternehmen für einen Megatrend: künstliche Intelligenz (KI). Diese hat die Fähigkeit, Daten zu analysieren, Muster zu erkennen und Entscheidungen zu treffen – alles in einer Geschwindigkeit und Präzision, die für den Menschen praktisch unmöglich ist. Die künstliche Intelligenz löste einen technologischen Impuls aus, der seither unaufhaltsam alle Bereiche unseres Lebens durchdringt und in nächster Zukunft nahezu jede Branche nachhaltig verändern wird – so auch die Medizin.

Gänzlich neu ist der Einsatz der KI in der Medizin allerdings nicht: Bereits seit einigen Jahren werden in der Medizin KI-gestützte Algorithmen verwendet, um Bilddaten zu analysieren, Krankheiten zu diagnostizieren und Eingriffe zu planen. Anfang der 1990er Jahre wurde mit »ROBODOC« erstmals ein Roboter im OP eingesetzt, um bei Hüftprothesen millimetergenau Knochen zu fräsen. Doch erst die jüngsten technologischen Fortschritte machen den flächendeckenden Einsatz möglich. Die Anwendung gewinnt in der Medizin also zunehmend an Bedeutung. Heute stehen weltweit rund 5.000 Exemplare des »Da-Vinci«-Operationsroboters des Unternehmens »Intuitive Surgical« im Einsatz. Dieses System gilt als Wegbereiter. Aktuell ist es das verbreitetste seiner Art und fungiert als »verlängerter Arm« des Chirurgen. Autonom agiert der Roboter allerdings nicht, jeder seiner Handgriffe wird vom Operateur gesteuert.

Die Universitätsmedizin Magdeburg – bestehend aus dem Universitätsklinikum Magdeburg (UKMD) als Anstalt des öffentlichen Rechts und der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg – war bestrebt, noch einen Schritt weiterzugehen, indem sie es sich zum Ziel machte, ein Robotersystem zu entwickeln, welches nach vorheriger Kommandoeingabe des verantwortlichen Operateurs nahezu selbstständig (autonom) die geplanten Eingriffe (z. B. zur Tumorentfernung) durchführt.

Notwendig dafür sind echte Operationsroboter, die in der Lage sind, Operationen teilweise oder komplett autonom durchzuführen, sowie eine intraoperative Echtzeit(Real Time)-Bildgebung, welche den Roboter als Auge durch das Gewebe navigiert – an kritischen Strukturen vorbei und unter Berücksichtigung des Tumors. Ausgestattet mit Feedback und künstlicher Intelligenz, soll ein solcher Operationsroboter – ähnlich wie ein Chirurg – beim offenen Operieren die Qualität der Organe analysieren und tumortragendes Gewebe identifizieren, um dann den Eingriff entsprechend zu adjustieren. Die Vorzüge von Medizinrobotern bei chirurgischen Eingriffen liegen klar auf der Hand: hochauflösende 3D-Optik mit Zoom liefert ein vergrößertes Echtzeitbild aus dem Körperinneren, während die Roboterarme die Handbewegungen des Operateurs vibrationsfrei und skaliert auf die Instrumente übertragen. Dadurch werden präzise Bewegungen auf engstem Raum ermöglicht, die mit der freien Hand kaum zu erreichen wären. Grobe beziehungsweise ruckartige Handbewegungen werden von der KI in ultrafeine Instrumentenbewegungen umgewandelt, dabei sorgen sogenannte »Tremorfilter« dafür, dass durch das Eliminieren eines möglichen Händezitterns saubere Schnitte und feinste Nahttechniken ermöglicht werden.

Die Universitätsmedizin Magdeburg fasste schließlich Anfang 2024 den Entschluss, den Einzug der künstlichen Intelligenz in die Medizin mit der Entwicklung einer eigenen (autonomen) KI-gestützten Medizinroboterplattform für die minimal-invasive Chirurgie und Interventionen im eigenen Hause weiter voranzutreiben. Auf Empfehlung der beratenden AnwältInnen Marco Michael Hohensee, Marisa­-Therese Golz und Yaroslav Shevchuk aus dem Berliner Büro von Leinemann Partner, entschied sich die Universitätsmedizin Magdeburg für eine Innovationspartnerschaft gem. § 19 VgV als Vergabeverfahren zur Umsetzung des mit rund 20 Mio. Euro geförderten Projekts.

Bei einer Innovationspartnerschaft handelt es sich um ein besonderes Vergabeverfahren zur Entwicklung innovativer, noch nicht auf dem Markt verfügbarer Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen und zum anschließenden Erwerb der daraus hervorgehenden Leistungen. Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Verhandlungsvergabe gliedert sich die Innovationspartnerschaft nach Zuschlagserteilung in zwei aufeinanderfolgende Phasen: Zunächst führen der öffentliche Auftraggeber und das bezuschlagte Unternehmen gemeinsam eine Forschungs- und Entwicklungsphase durch, die die Herstellung von Prototypen oder die Entwicklung der Dienstleistung umfasst. Im Anschluss daran erfolgt eine sogenannte Leistungsphase, in der die aus der Partnerschaft hervorgegangene Leistung erbracht wird. Nach Abschluss der Forschungs- und Entwicklungsphase ist der öffentliche Auftraggeber zum anschließenden Erwerb der innovativen Liefer- oder Dienstleistung – vorliegend der Medizinroboterplattform – nur dann verpflichtet, wenn das zuvor festgelegte Leistungsniveau und die Kostenobergrenze eingehalten werden (§ 19 Abs. 10 VgV).

Die erste Herausforderung bei der Vorbereitung des Vergabeverfahrens bestand somit darin, im Rahmen des Leistungsverzeichnisses die technischen Leistungsniveaus und (Mindest-)Anforderungen eines noch zu entwickelnden Produkts mit hinreichender Präzision zu definieren, um mit der Ausschreibung gezielt nur solche Unternehmen anzusprechen, die tatsächlich im Falle der Zuschlagserteilung imstande wären, das avisierte Projekt erfolgreich umzusetzen. In enger Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber, bei dem Prof. Dr. Roland S. Croner von der Universitätsmedizin Magdeburg und Prof. Dr. Georg Rose von der Technischen Universität Magdeburg und dem Forschungs­campus STIMULATE aus medizinisch-fachlicher Sicht federführend die Projektleitung übernahmen, konnte das Leinemann-Team in kürzester Zeit sämtliche Vergabeunterlagen samt einer umfassenden Leistungsbeschreibung sowie Vertragsunterlagen für den Teil­nahmewettbewerb erstellen und die Ausschreibung planmäßig veröffentlichen.

Aufgrund der Komplexität des Projekts waren mit den drei Bietern, die sich im vorgeschalteten Teil­nahmewettbewerb für die Angebotsphase qualifiziert hatten, insgesamt zwei Verhandlungsrunden und ein Besichtigungstermin des STIMULATE-Forschungs­campus erforderlich. Der künftige Auftragnehmer sollte nämlich mit Zuschlagserteilung zur Ansiedlung auf dem Forschungscampus STIMULATE, einem Forschungszentrum an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, vertraglich verpflichtet werden.

Die gut durchdachten, qualitativ hochwertigen Konzepte und Präsentationen der Bieter machten es dem Auftraggeber schließlich nicht leicht, eine Zuschlagsentscheidung zu treffen. Doch letzten Endes konnte sich der Bieter BEC GmbH gegen die Konkurrenz durchsetzen und erhielt sodann den Zuschlag auf sein Angebot.

»Dank der engen Zusammenarbeit mit Leinemann Partner konnte die Innovationspartnerschaft von der Bekanntmachung im Mai 2024 bis zur Zuschlagserteilung im Dezember 2024 reibungslos und termingerecht zum Erfolg geführt werden«, so Prof. Dr. Georg Rose vom Lehrstuhl für Medizinische Telematik und Medizintechnik am Institut für Medizintechnik.

Die Integration von KI und Robotik in die minimalinvasive Chirurgie bringt enorme Chancen, aber auch große Veränderungen für die Medizin von morgen. Gleichzeitig dürfen die damit einhergehenden Herausforderungen nicht übersehen werden: hohe (Forschungs-)Kosten, notwendige Trainingsoffensiven, Entstehung neuartiger Berufsfelder (z. B. robotische Assistenzen/Techniker/Softwareentwickler etc.), ungeklärte Haftungsfragen und grundsätzliche ethische Überlegungen sind ständige Begleiter des Fortschritts. »Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Technik dort angenommen wird, wo sie echten Mehrwert liefert«, so Prof. Dr. Roland S. Croner von der Universitätsklinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie Magdeburg. Das anwaltliche Team um Partner Marco Michael Hohensee freut sich, einen Beitrag dazu geleistet zu haben, den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Chirurgie weiter vorantreiben zu können.