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Und noch mal: Fiktive Mängelbeseitigungskosten bei Altfällen!

BGH, Urteil vom 19.12.2019, VII ZR 6/19

Der Auftraggeber (AG) beauftragt einen Generalunternehmer (GU) mit Vertrag vom 14.07.1997 mit der Errichtung eines Büro- und Geschäftshauses. Der GU behauptet einen restlichen Vergütungsanspruch in Höhe von ca. 1,0 Mio. € und erhebt Klage gegen den AG. In dem Rechtsstreit erklärte der AG die Aufrechnung mit einem Betrag in Höhe von ca. EUR 536.000,00. Diese stünden ihm als Schadensersatz zu, weil Mängel nicht beseitigt worden seien. Während des Berufungsverfahrens vor dem OLG Hamburg wird das Grundstück des AG zwangsversteigert. Das OLG Hamburg lässt die Aufrechnung unberücksichtigt, weil der Schaden nach der neuen Rechtsprechung des BGH nicht nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen werden könne. Dies gelte auch für Altfälle, obwohl der BGH dies in einer Entscheidung vom 27.09.2018 für Verträge die vor dem 01.01.2002 geschlossen wurden, ablehne. Nach Auffassung des OLG Hamburg bestehe die Gefahr einer Überkompensation bei Altfällen in gleicher Weise.

Der BGH erteilt der Auffassung des OLG Hamburg eine Absage und bestätigt seine Rechtsprechung, nach der der Besteller nur bei nach dem 31.12.2001 abgeschlossene Verträge nicht die fiktiven Mängelbeseitigungskosten verlangen kann, wenn er den Mangel nicht beseitigen lässt. Für „Altfälle“ gelte die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des BGH fort, die für bis zum 31.12.2001 geschlossene Verträge dem Besteller unter anderem die Möglichkeit eingeräumt hat, Schadensersatzansprüche nach § 635 BGB a.F. wegen Mängeln des Werks auch nach der Höhe fiktiver Mängelbeseitigungskosten zu bemessen. Denn nur auf Basis des ab dem 01.01.2002 geltenden Konzepts der Mängelrechte sei es möglich, dass dem Besteller die Möglichkeit gelassen werde, den Mangel selbst zu beseitigen und zugleich eine ausreichende Kompensation seines Vermögensschadens zu erlangen, ohne dass es zu einer Überkompensation komme. Eine solche Möglichkeit bestehe auf Grundlage des alten Schuldrechts nicht. Danach musste der Besteller um die Wandlung, Minderung oder einen Schadensersatz nach verlangen zu können, grundsätzlich eine Frist zur Beseitigung des Mangels mit einer Ablehnungsandrohung setzen. Nach Ablauf dieser Frist erlosch der Anspruch auf Beseitigung des Mangels und damit auch das Selbstbeseitigungsrecht des Bestellers mit der Möglichkeit, Ersatz seiner Aufwendungen und Vorschuss hierfür zu verlangen.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH war absehbar. Bereits mit Urteil vom 27.09.2018 hat der 7. Zivilsenat klargestellt, dass der Ausschluss von fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruches nicht auf Altfälle übertragbar ist. Der BGH nimmt die Revision zum Anlass, konkret auszuführen, welche Unterschiede zwischen der alten und der neuen Rechtslage bestehen und erläutert die Besonderheiten des ab dem 01.01.2002 geltenden Werkvertragsrechts. Dieses rechtfertigt nach Auffassung des BGH eine Abweichung von der zur alten Rechtslage ergangenen Rechtsprechung.

Autor

Dr. Amneh Abu Saris

Dr. Amneh Abu Saris

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