Section-Image

Projektversicherung – Vorteile und Besonderheiten

Im Rahmen eines Bauvorhabens treffen viele Beteiligte aufeinander. Nur beispielhaft aufzuzählen sind: Generalunternehmer, Generalübernehmer, Lieferanten, Sub- bzw. Nachunternehmer, Planer und Projektsteuerer. Diese Gemengelage birgt viele Schwierigkeiten im Hinblick auf unterschiedliche Haftungskonstellationen unter den Beteiligten. Der Zweck einer Versicherung – sich gegen das Insolvenzrisiko im Falle einer Haftung für einen Schaden abzusichern – wird auf eine ernstzunehmende Probe gestellt, sobald sich einzelne Versicherungen der Beteiligten überschneiden und die jeweiligen Versicherer sich bei dieser Gelegenheit der Deckung entziehen wollen.

Eine Lösung für dieses Problem bietet die Projektversicherung, welche an ein einzelnes Bauvorhaben anknüpft und möglichst viele Risiken bei einem einzigen Versicherer bzw. -konsortium bündelt. Auf diese Weise können die Bauleistung, die Haftpflicht der Planer, die Betriebshaftpflicht der Unternehmer und Subunternehmer sowie die Bauherrenhaftpflicht und je nach Einzelfall u.a. die Umweltschadenhaftpflicht „unter einem Dach“ versichert werden.

Entgegen der herkömmlichen Policengestaltung mittels Allgemeiner Bestimmungen als eine Art Einleitung, gefolgt von einer Aneinanderreihung der einzelnen Versicherungssparten, kommen zunehmend Bedingungen in Umlauf, die alle Bestimmungen zu einem Risiko, danach alle Ausschlüsse usw. zusammenfassen, um eine bessere Übersichtlichkeit beim Versicherungsnehmer (VN) zu erreichen. Die Kehrseite der Medaille ist ein umso schwierigerer Abgleich mit Einzelpolicen, um zu prüfen, ob der Deckungsumfang komplett und nicht zu Ungunsten des VN verändert ist. Die Begleitung der Policenerstellung mit versicherungsrechtlicher Expertise bietet sich aus diesen Gründen daher zwingend an.

Im Übrigen bestehen erhebliche Vorteile des Abschlusses einer Projektversicherung anstelle von zahlreichen Einzelverträgen:

  1. Der Auftraggeber kann leichter kontrollieren, dass wirklich alle Beteiligten (auskömmlichen) Versicherungsschutz haben.
  2. Die Projektgesellschaft als Versicherungsnehmer kann die Prämie in den Verträgen mit den Baubeteiligten für sich kostenneutral umlegen.
  3. Die Regulierung eines Schadens gestaltet sich durch einen einzigen Versicherer als Ansprechpartner deutlich einfacher und führt daher seltener zu einer Projektverzögerung nach dem Schaden.
  4. Eine Überschneidung von Sparten bedeutet keine Erschwernis im Rahmen der Regulierung. Im Falle eines Sachschadens z.B. an zu verlegenden Bodenbelägen muss nicht die Frage geklärt werden, ob der Schaden beim Transport oder erst auf der Baustelle eingetreten ist, wenn die Projektversicherung ohnehin Transport- und Montagerisiken abdeckt.
  5. Nach einem Schadenfall werden nicht alle Versicherer ihre jeweiligen Sachverständigen zur Beurteilung des Schadens beauftragen, die dann schlimmstenfalls zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und die Regulierung dadurch erschweren. Zudem kann der Projektversicherer ein einheitliches Sachverständigenverfahren für alle Beteiligten durchführen.
  6. Regresse zwischen einzelnen Versicherern entfallen. Zerstört ein Nachunternehmer etwa schuldhaft ein teilweise hergestelltes Bauwerk, kann der Bauleistungsversicherer beim Haftpflichtversicherer im Regelfall Rückgriff nehmen. Dieser Schritt entfällt, wenn beide Risiken ohnehin von der Projektversicherung umfasst sind.

Die nicht abschließend aufgezählten Vorteile der Projektversicherung liegen also auf der Hand. Wo es viel Licht gibt, fällt allerdings natürlich erfahrungsgemäß auch Schatten. Dabei dürfte es für die Mitversicherten zunächst noch verschmerzbar sein, dass allein der VN forderungsberechtigt und klagebefugt gegenüber dem Versicherer(konsortium) ist, und zwar unabhängig davon, wessen Interesse im Schadenfall betroffen ist. Denn zum Einbehalt oder der Aufrechnung  mit Leistungen des Versicherers, die dem Mitversicherten zustehen, ist der VN regelmäßig ohnehin nicht berechtigt.

Schwerer wiegt dann schon eher, dass diejenigen Risiken von den Einzelversicherungen der Beteiligten ausgenommen werden, die von der Projektversicherung umfasst sind. So wird z.B. in der Architektenhaftpflichtversicherung ein Risiko nicht eingeschlossen, das bereits in der Projektversicherung enthalten ist. Der Architekt muss also genau aufpassen, ob sein Schutz in der Projektversicherung auch wirklich besteht, da u.a. die Nichtzahlung der Erstprämie den Versicherungsschutz entfallen lässt. Die Mitversicherten sind daher angeraten, sich den Versicherungsschutz und entsprechende Zahlung bestätigen zu lassen.

Auch die zeitliche Befristung einer Projektversicherung kann problematisch werden, falls sich die Bauzeit durch unvorhergesehene Umstände, wie z.B. einen Bombenfund auf der Baustelle, durch einen Stillstand verlängert und der Versicherungsschutz ausläuft. Die zeitliche Komponente ist wohlgemerkt auch ein Problem bei der Architekten- und Betriebshaftpflicht, da Schadenfälle teils erst Jahre nach Abschluss des Bauvorhabens auftreten oder erkannt werden. Bei diesen Themen gilt es je nach Bedarf Sondervereinbarungen mit dem Versicherer zu treffen.

Insgesamt ist der Mehrwert einer Projektversicherung gegenüber dem Abschluss von Einzelverträgen dennoch nicht von der Hand zu weisen. Mit der richtigen Versicherungseindeckung anhand einer detaillierten, auch juristischen, Prüfung der Bedingungen lassen sich auch kleinere Defizite lösungsorientiert beseitigen, damit sich der Bauablauf nicht durch Störfeuer im Rahmen der Schadenregulierung verzögert. Dabei ist es wiederum von Vorteil, die Verhandlungen dazu nur mit einem einzigen Versicherer führen zu müssen.

 

Gerne möchten wir noch auf das Seminar von Herrn Zarva Grundzüge des Versicherungsrechts und Einblicke in das Wesen der Bauprojektversicherung am 23.03.2021 hinweisen. Die Teilnahme ist kostenlos.

Autor

Igor Zarva, LL.M.

Igor Zarva, LL.M.

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Dr. Amneh Abu Saris: BGH bestätigt: Kein Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht!

     

  • Dr. Thomas Hildebrandt: Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens zur Ermittlung der Nachtragshöhe

     

  • Marco Michael Hohensee, LL.M.: Tätigkeitsbeginn der Autobahn GmbH des Bundes zum 01.01.2021 – Auswirkungen des Wechsels der Verwaltung der Bundesautobahnen auf künftige sowie laufende Gerichtsverfahren und Vergabeverfahren