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Tätigkeitsbeginn der Autobahn GmbH des Bundes zum 01.01.2021 – Auswirkungen des Wechsels der Verwaltung der Bundesautobahnen auf künftige sowie laufende Gerichtsverfahren und Vergabeverfahren

Wechsel in der Straßenbauverwaltung zum Jahr 2021: Die Bundesautobahnen werden seit dem 01.01.2021 nicht mehr in Auftragsverwaltung durch die Länder, sondern in Bundesverwaltung geführt. Dadurch hat nunmehr der Bund die alleinige Verantwortung für Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, vermögensmäßige Verwaltung und Finanzierung der Bundesautobahnen sowie die damit verbundenen Verwaltungsangelegenheiten inne. Landesbetriebe bleiben hingegen weiterhin für die Bundes- und Landesstraßen zuständig. Damit sich stellt sich die Frage, welche Auswirkungen der Wechsel in der Straßenbauverwaltung etwa auf rechtshängige oder auch zukünftige Klage- bzw. Vergabenachprüfungsverfahren hat, die zuvor gegen die vormals zuständigen Autobahndirektionen zu führen waren. Ein Überblick.

Reform der Bundestraßenverwaltung

Im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen einigten sich die Länder und der Bund 2017 unter anderem auf die Reform der Bundesfernstraßenverwaltung. Mit Wirkung zum 01.01.2021 obliegt die Verwaltung der Bundesautobahnen danach nicht mehr der Bundesauftragsverwaltung durch die Straßenbauverwaltungen der Länder, sondern der Bundesverwaltung, Art. 90 Abs. 2 GG, Art. 143e Abs. 1 GG i.V.m. Fernstraßen-Überleitungsgesetz und Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz.

Das für die Bundesstraßenverwaltung zuständige Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat auf Grundlage von § 1 Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz die Planung, den Bau, den Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung von Bundesautobahnen auf die am 13.09.2018 gegründete Autobahn GmbH des Bundes (fortan: Autobahn GmbH) übertragen.

Vertragspartner bleibt weiterhin der Bund

Bei Verträgen, die im Rahmen der bisherigen Auftragsverwaltung durch Landesbetriebe abgeschlossen wurden, ist weiterhin der Bund Vertragspartner. Auch bleibt der Bund nach Art. 90 Abs. 1 GG Eigentümer der Bundesautobahnen. Was sich ändert ist die Vertretung des Bundes, diese übernimmt ab 01.01.2021 die Autobahn GmbH.Sie übernimmt seitdem die Ausführung von Aufgaben der Straßenbaulast im Sinne des § 3 Bundesfernstraßengesetz. Sitz der Autobahn GmbH ist Berlin, § 4 Abs. 1 Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz.

Eintritt der Autobahn GmbH des Bundes in sämtliche laufenden Vergabe- und Gerichtsverfahren

Zum 01.01.2021 tritt die Autobahn GmbH in sämtliche Vergabe- und Gerichtsverfahren sowie in sonstige Verfahren oder Rechtspositionen ein, die sich im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben befinden. Dies fußt auf § 10 Abs. 2 Fernstraßen-Überleitungsgesetz und gilt auch für die hoheitlichen Aufgaben, mit deren Wahrnehmung sie auf Grund des § 6 des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes beliehen ist.

Örtliche Zuständigkeit für gerichtliche Verfahren gegen die Autobahn GmbH des Bundes

Aufgrund des Eintretens der Autobahn GmbH in Vergabe- und Gerichtsverfahren sowie in sonstige Verfahren oder Rechtspositionen zum 01.01.2021 ergibt sich die Frage, welche Auswirkungen dies auf laufende oder künftige Klage- bzw. Vergabenachprüfungsverfahren hat.

Gerichtsstand für im Jahr 2021 neu eingeleitete zivilrechtliche Klageverfahren gegen die Autobahn GmbH des Bundes

Der allgemeine Gerichtsstand einer juristischen Person (wie der Autobahn GmbH) richtet sich grundsätzlich nach deren Sitz. Dies ist der Ort, an dem die Verwaltung geführt wird, § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO. Der Sitz der Autobahn GmbH des Bundes befindet sich in Berlin, § 4 Abs. 1 Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz, sodass Klagen gegen Autobahn GmbH grundsätzlich  zulässiger Weise in Berlin erhoben werden können.

Daneben eröffnet § 21 ZPO einen besonderen Gerichtsstand der Autobahn GmbH an den Orten, an denen sie unternehmerische Niederlassungen unterhält. Zwischen diesen hat der Kläger die Wahl, § 35 ZPO. Gegenwärtig unterhält die Autobahn GmbH zehn Niederlassungen, auch an deren Gerichtsständen können folglich Klagen gegen die Autobahn GmbH zulässig erhoben werden.

An folgenden Orten unterhält die Autobahn GmbH des Bundes derzeit Niederlassungen:

Niederlassung Nord: Heidenkampsweg 96-98, 20097 Hamburg

Niederlassung Nordost: An der Autobahn 111, 16540 Hohen Neuendorf OT Stolpe

Niederlassung Nordwest: Bödekerstraße 1, 30161 Hannover

Niederlassung Ost: Magdeburger Straße 51, 06112 Halle

Niederlassung Westfalen: Otto-Krafft-Platz 8, 59065 Hamm

Niederlassung Rheinland: Ostwall 130-134, 47798 Krefeld

Niederlassung West: Bahnhofsplatz 1, 56410 Montabaur

Niederlassung Nordbayern: Flaschenhofstr. 55, 90402 Nürnberg

Niederlassung Südbayern: Seidlstraße 7-11, 80335 München

Niederlassung Südwest: Augsburger Str. 748, 70329 Stuttgart

Besonderheit für VOB/B-Verträge

Wurde mit der Autobahn GmbH ein VOB/B-Vertrag geschlossen, und sollen aus diesem Vertrag resultierende Forderungen geltend gemacht werden, ist § 18 Abs. 1 S. 1 VOB/B zu beachten. Hiernach richtet sich – soweit die die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandvereinbarung nach § 38 ZPO vorliegen – der Gerichtsstand für Streitigkeiten aus dem Vertrag nach dem Sitz der für die Prozessvertretung des Auftraggebers zuständigen Stelle (bei der Autobahn GmbH daher grundsätzlich Berlin), sofern nicht etwas anderes vereinbart ist. Eine hiervon abweichende Vereinbarung dürfte sich meist aus dem Vertrag unter Berücksichtigung der in der Regel einbezogenen Besonderen Vertragsbedingungen ergeben, sodass die dort getroffene Vereinbarung § 18 Abs. 1 S. 1 VOB/B vorgeht.

Zuständigkeitswechsel für bereits laufende Gerichtsverfahren gegen die vormals zuständigen Autobahndirektionen, jetzt Autobahn GmbH?

Die Regelung des § 10 Abs. 2 Fernstraßen-Überleitungsgesetz, wonach die Autobahn GmbH zum 01.01.2021 in sämtliche Vergabe- und Gerichtsverfahren sowie sonstige Verfahren und Rechtspositionen eingetreten ist, führt nicht zu einer örtlichen Unzuständigkeit des mit dem Verfahren bereits befassten Gerichts. Diese hätte eine Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht zur Folge. Nach der ZPO muss jedoch der vor dem 01.01.2021 rechtshängig gewordene Rechtsstreit vor dem angerufenen Gericht beendet werden. Aufgrund des (identitätswahrenden) Wechsels des Beklagten wird das angerufene Gericht nicht unzuständig, sog. „perpetuatio fori“.

Eine örtliche Unzuständigkeit für mit dem Klageverfahren bereits befassten Gericht ergäbe sich demnach selbst dann nicht, wenn die bereits verklagte Autobahndirektion ihren Sitz an einem Ort gehabt haben sollte, an dem die Autobahn GmbH des Bundes nun keine Niederlassung („mehr“) unterhält, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.

Etwas anderes gilt nur, falls die Rechtshängigkeit einer kurz vor Jahreswechsel 20/21 erhobenen Klage nach dem 01.01.2021 eingetreten sein sollte. Die Rechtshängigkeit eines Klageverfahrens tritt erst mit Zustellung der Klageschrift an den Beklagten ein. Ist die im Jahr 2020 erhobene Klage gegen die Autobahn GmbH des Bundes dieser noch nicht zugestellt worden, wäre daher gem. § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO zu beantragen, den Rechtsstreit an ein zuständiges Gericht (s.o., IV.1.,2.) zu verweisen.

Rubrumsberichtigung

Für laufende Gerichtsverfahren sollte eine Rubrumsberichtigung gem. § 319 ZPO analog beantragt werden, damit etwaig später ergehende Titel problemlos vollstreckt werden können. Eine Rubrumsberichtigung gem. § 319 ZPO analog kann durchgeführt werden, wenn das Rubrum an einem Fehler leidet, der – wie hier – nicht die Identität des Beklagten/des Klägers berührt (BGH NJW 2007, 518; OLG Düsseldorf BeckRS 2009, 23780 = MDR 2009, 947; Vollkommer MDR 1992, 642; Derleder JurBüro 1995, 11 (12); Kempe/Antochewicz NJW 2013, 2797; Thomas/Putzo/Reichold Vor § 50 Rn. 4).

Neue Zuständigkeit in Vergabesachen

Für Vergabeverfahren ist folgender Umstand maßgeblich: Die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Vergabekammern von Bund und Ländern richtet sich nach den §§ 156, 159 GWB. Demnach sind für die Vergabestellen der Länder und Kommunen die Vergabekammern der Länder zuständig, die je nach Land bei den Ministerien, Verwaltungsämtern, Finanzdirektionen, Bezirksregierungen oder Regierungspräsidien angesiedelt sind. Für die Vergabestellen des Bundes sind die beim Bundeskartellamt ansässigen Vergabekammern des Bundes zuständig.

Da die Bundesautobahnen seit dem 01.01.2021 nicht mehr in Auftragsverwaltung durch die Länder, sondern in Bundesverwaltung geführt werden, sind die zu vergebenden Aufträge nun dem Bund zuzurechnen, §§ 156 Abs. 1,159 Abs. 1 GWB.

Sollen von der Autobahn GmbH durchgeführte Vergabeverfahren überprüft werden, sind hierfür mithin zukünftig die Vergabekammern des Bundes zuständig. Sollte gleichwohl versehentlich eine örtlich bzw. sachlich unzuständige Vergabekammer angerufen werden, kann sie den unzulässigen Nachprüfungsantrag analog § 17a GVG an die zuständige Vergabekammer oder an das zuständige Gericht verweisen.

Für Nachprüfungsverfahren, die bereits rechtshängig sind, gilt gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 GVG das oben zur perpetuatio fori Ausgeführte: Die bereits mit den Nachprüfungsanträgen befassten Vergabekammern der Länder bleiben weiterhin zuständig, haben daher über bereits eingereichte Nachprüfungsanträge zu entscheiden und können das Verfahren nicht auf die VK Bund überleiten.

Fazit

Durch die Tätigkeitsaufnahme der Autobahn GmbH des Bundes ergeben sich einige Neuerungen. Insbesondere in Bezug auf vergaberechtliche Angelegenheiten ist zu beachten, dass die von der Autobahn GmbH des Bundes durchgeführten Vergabeverfahren vor den Vergabekammern des Bundes in Bonn anzugreifen sein werden.

Für bereits rechtshängige zivilrechtliche Klagen bleiben die bereits mit den Angelegenheiten befassten Gerichte zuständig. Hier sollte jedoch eine Rubrumsberichtigung beantragt werden, damit etwaigen Problemen bei der späteren Vollstreckung der Urteile vorgebeugt werden kann. Sollen neue Klageverfahren gegen die Autobahn GmbH eingeleitet werden, richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den dargestellten allgemeinen zivilprozessualen  Vorschriften bzw. vertraglichen Regelungen.

Autor

Marco Michael  Hohensee, LL.M.

Marco Michael Hohensee, LL.M.

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