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Überspannte Anforderungen: Zur Darlegung beim Gesamtschuldnerausgleich zwischen Planer und Bauunternehmer

BGH, Beschluss vom 10.08.2022 – VII ZR 243/19

Die Klägerin ist Bauunternehmerin, die im Rahmen eines Bauvorhabens u.a. Leistungen im Bereich von Balkondächern erbracht hat. Die Beklagte war als Architektin vom Bauherrn mit der Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) bis Leistungsphase 8 (Objektüberwachung) beauftragt. Da die Ausführungsplanung des Architekten Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Ausführung gab, erarbeitete die Klägerin – das Bauunternehmen – einen planerischen Sondervorschlag, den der Architekt prüfte und gegenüber der Bauherrin bestätigte. Tatsächlich waren die Balkondächer, die auf der Grundlage dieser „Sonderplanung“ entstanden, mangelhaft. Die Klägerin sanierte diese Balkondächer daraufhin. Sie nimmt nun die Beklagte auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch. Sie begründet sowohl in erster als auch in zweiter Instanz wird die Klage abgewiesen, da die Klägerin die Höhe des Anspruchs nicht hinreichend schlüssig dargelegt habe. Die Klägerin wendet sich mit einem Antrag auf Zulassung der Revision an den BGH. Mit Erfolg?

Ja! Der BGH hebt die Urteile auf und verweist diese zurück an das Oberlandesgericht. Da Bauunternehmer und Architekt hier als Gesamtschuldner haften, stehe dem Kläger aufgrund der von ihm vorgenommenen Sanierung ein Anspruch gegen den Architekten auf Gesamtschuldnerausgleich zu. Da dem Bauunternehmer im Rahmen der Mangelbeseitigung Kosten entstanden sind, kann er diese – deren objektive Erforderlichkeit vorausgesetzt – anteilig gegenüber dem Planer geltend machen. Hat er Leistungen selbst erbracht, steht ihm für diese Leistungen ein entsprechender Wertausgleich zu (vgl. BGH Beschluss vom 01.02.1965 – GSZ 1/64, BGHZ 43, 227).  Hinsichtlich der Darlegung hatte das Berufungsgericht eine „geordnete Aufstellung“, aus der sich die einzelnen Arbeiten zur Mangelbeseitigung sowie die für diese Arbeit geltend gemachten Kosten hinreichend ableiten ließen, für unsubstantiiert erklärt. Dies, obwohl die Klägerin hier Rechnungen und eine Aufstellung der aufgewandten Stunden in Eigenleistung beigefügt hatte. Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungen des Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich überspannt. Daher waren die vorausgegangenen Urteile aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuweisen, dass nunmehr Beweis erheben musste.

Aus dem Fall lässt sich mitnehmen, dass der Bauunternehmer auch dann einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich hat, wenn er bestehende Mängel beseitigt – und zwar sowohl für die Leistungen, die er durch Dritte ausführen lässt als auch für die in Eigenregie erbrachten Leistungen. Der Architekt haftet hier, da er zwar nicht geplant hatte, aber die Planung des Bauunternehmens geprüft und freigegeben hat. Ein Abzug wegen Mitverschuldens des Bauherrn war nicht vorgesehen; er muss sich die fehlerhafte Prüfung nicht zurechnen lassen. Es gehört nämlich nicht zum Aufgabenkreis des Bauherrn, die Planungsleistungen des Bauunternehmers zu prüfen. Insoweit ist der Architekt für derartige Leistungen nicht als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn anzusehen.  

Autor

Kai Linnemannstöns

Kai Linnemannstöns

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