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Sicherungsverlangen gemäß § 648a Abs. 1 BGB a. F. kann auch anderen Motiven als der bloßen Erlangung der Sicherheit dienen

Der BGH hat die Auffassung des OLG Frankfurt am Main abgelehnt, nach der ein Sicherungsverlangen gemäß § 648a Abs. 1 BGB a. F. (neu § 650f BGB) eine unzulässige Rechtsausübung darstelle, wenn es unter anderem auch als Druckmittel für Verhandlungen genutzt werde. Das OLG hatte sein Urteil unter Hinweis auf das bauvertragliche Kooperationsgebot damit begründet, dass einem Sicherungsverlangen zunächst der Versuch einer einvernehmlichen Einigung sowie die Androhung des Sicherungsverlangens für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen vorausgehen müssten.

BGH, Urteil vom 27.11.2017 – VII ZR 34/15

Anlass des Rechtsstreits war die mehrfache und wechselseitige Kündigung von mehreren Bauverträgen zum Bau eines Mehrfamilienhauses, einer Tiefgarage und der Außenanlagen. Den Bauverträgen lag die VOB/B zu Grunde. Nach Aufnahme der Bauarbeiten gab es Meinungsverschiedenheiten, unter anderem wegen vermeintlich zusätzlicher Arbeiten und Sonderwünschen der Erwerber der Eigentumswohnungen.

Hierauf forderte die Klägerin von den Beklagten gemäß § 648a Abs. 1 BGB a. F. mit Schreiben vom 28.09.2011 Sicherheiten für die einzelnen Vertragsverhältnisse in unterschiedlicher Höhe zur Absicherung ihres Vorleistungsrisikos bis zum 07.10.2011. Die Beklagten baten am 06.10.2011 um eine Verlängerung der Frist bis zum 28.10.. Eine Übergabe von Sicherheiten erfolgte nicht, woraufhin die Klägerin die Verträge gemäß § 648a Abs. 5 BGB a. F. mit Schreiben vom 12.10. und erneut am 20.10.2011 fristlos kündigte. Die Beklagten forderten die Klägerin erfolglos zur Wiederaufnahme der eingestellten Arbeiten auf und kündigten mit Schreiben vom 07.11.2011 ihrerseits die Verträge aus wichtigem Grund.

Die Klägerin machte Restwerklohn für ausgeführte Arbeiten, Materialkosten für nicht verbautes Material sowie 5 % der auf die nicht mehr ausgeführten Arbeiten entfallenden Vergütung geltend. Die Beklagten beantragten widerklagend die Erstattung von Mehrkosten für die Fertigstellung der Bauwerke.

Das Landgericht gab dem Klägerantrag statt und wies die Widerklage ab. Hiergegen richtete sich die erfolgreiche Berufung. Das OLG Frankfurt am Main gab der Zwischenfeststellungsklage der Beklagten statt und wies diejenige der Klägerin ab. Außerdem hob es das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zurück. Die Kündigung der Klägerin sei unwirksam. Die Klägerin könne sich nach Treu und Glauben nicht auf ihr Sicherungsverlangen berufen, weil dieses unter Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsverbot erklärt worden sei und die Klägerin dadurch ihre Rechtsposition unredlich erworben habe. Das Motiv ihres Sicherungsverlangens sei nicht vorrangig die Erlangung einer Sicherheit gewesen, vielmehr habe sie die Beklagten zu Verhandlungen über die Abwicklung des Bauvorhabens motivieren wollen. Die Verwendung des Sicherungsverlangens als Druckmittel zur Erreichung einer verbesserten Verhandlungsposition sei pflichtwidrig. Zudem sei die Klägerin, unter Berücksichtigung des bauvertraglichen Kooperationsgebotes, dazu verpflichtet gewesen, zunächst eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Das Sicherungsverlangen hätte zunächst angedroht werden müssen und erst nach dem Scheitern der Verhandlungen gestellt werden dürfen.

Anders der BGH! § 648a BGB a. F. sieht keine Ankündigungspflicht vor und wurde durch das Forderungssicherungsgesetzt (vom 23.10.2008) grundlegend umgestaltet. Ziel war es, dem Unternehmer die möglichst schnelle und effektive Erlangung einer Sicherheit vom Besteller für eine vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung zu verschaffen.

Den Anspruch aus § 648a Abs. 1 BGB a. F. kann der Unternehmer nach Vertragsschluss jederzeit geltend machen, unabhängig davon, ob eine streitige Auseinandersetzung zwischen den Parteien vorliegt. Es widerspreche nicht der Wertung des Gesetzgebers, wenn dem Sicherungsverlangen auch andere Motive als die bloße Erlangung der Sicherheit zugrunde lägen, wie etwa das Ziel, den Vertragspartner zu Verhandlungen über die Abwicklung des Bauvorhabens zu motivieren. Deshalb sei die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben in Verbindung mit dem bauvertraglichen Kooperationsgebot (§ 242 BGB) verfehlt. Aufgrund dieser Erwägungen sei es auch nicht tragfähig, als Voraussetzung für ein Sicherungsverlangen zunächst das vorherige Verhandeln über eine einvernehmliche Lösung sowie die Androhung des Sicherungsverlangens für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen zu fordern.

Die Frage, ob die Anwendung des § 648a BGB a. F. in Fällen des offensichtlichen Rechtsmissbrauchs zu begrenzen sei, lässt der BGH mit Verweis darauf offen, dass ein solcher vorliegend offensichtlich nicht vorliege.

Praxishinweis

Der Schutzbereich der Bauhandwerkersicherung (jetzt § 650f BGB) ist groß, was auch daran liegt, dass es sich um eine nicht abdingbare gesetzliche Regelung handelt. Ihr Anwendungsbereich ist weit, was zu unterstützen ist, da damit ein Äquivalent zum Vorleistungsrisiko des Unternehmers geschaffen wurde. Der Unternehmer kann auch andere Motive, als nur die Sicherung seines Anspruchs haben. Die Grenze der „unzulässigen Rechtsausübung“ ist als  sehr hoch einzuschätzen. Eine Sicherheit zu wollen, muss weiterhin das Motiv für das Sicherungsverlangen sein. Der BGH verweist die Sache zudem zurück an das OLG, um die Angemessenheit der Fristsetzung überprüfen zu lassen. Der AN forderte Sicherheiten gem. § 648a BGB (a.F.) von insgesamt über EUR 30.0 Mio. Ob da die Frist von nur 9 KT ausreichend ist, zudem der AG sich darauf vorher nicht einstellen musste, wird sich zeigen. Je überraschender das Sicherungsverlangen für den AG ist und je höher der zu sichernde Betrag, desto großzügiger sollte die Frist zur Stellung der Sicherheit sein und dürfte in Fällen wie dem Vorliegenden jedenfalls 14 KT nicht unterschreiten. Auch sollte der Unternehmer, der wegen der nicht fristgerechten Stellung der Sicherheit seine Arbeiten zunächst einstellt, darauf achten, dass er vor einer Kündigung, noch einmal eine neue Frist zur Stellung der Sicherheit setzt (LG Berlin, Urteil vom 23.09.2016 - 94 O 3/16 (nicht rechtskräftig).  

Autor

Jochen Lüders

Jochen Lüders

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