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Wesentliche Mängel verhindern Ablösung des Sicherheitseinbehalts: Klausel unwirksam!

BGH, Urteil vom 30.03.2017 – VII ZR 170/16

Der BGH hat über die Wirksamkeit einer formularmäßigen Sicherungsabrede des Auftraggebers (AG) zu entscheiden. Im Bauvertrag heißt es: „Die Parteien vereinbaren - unabhängig von einer Ausführungsbürgschaft - den Einbehalt einer unverzinslichen Sicherheitsleistung durch den AG in Höhe von 5 % der Brutto-Abrechnungssumme für die Sicherstellung der Gewährleistung einschließlich Schadensersatz und die Erstattung von Überzahlungen. Der Auftragnehmer (AN) ist berechtigt, den Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Versicherung abzulösen; frühestens jedoch nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel oder fehlender Leistungen.“

Die Klausel benachteiligt den AN entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher gem. § 9 Abs. 1 AGBG a.F. (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB n.F.) unwirksam. Der Einbehalt eines Teils der Vergütung für die Dauer der Gewährleistungsfrist läuft dem Sinn des § 641 Abs. 1 BGB zuwider, demzufolge die Vergütung des AN bei Abnahme fällig wird. Der AN trägt durch den Einbehalt eines Teils seiner Vergütung nach Abnahme weiterhin das Insolvenzrisiko des AG für die Dauer der Gewährleistungsfrist und ihm bleibt die Liquidität sowie die Verzinsung des Werklohns vorenthalten (BGH, IBR 2007, 422). Eine andere Bewertung ergibt sich, wenn dem AN eine angemessene Austauschmöglichkeit eingeräumt wird. Eine solche ist in einer selbstschuldnerischen unbefristeten Bürgschaft zu sehen (BGH, IBR 2004, 68), weil die dadurch eintretende Zinsbelastung und Einschränkung der Kreditlinie des AN in Anbetracht des Sicherungsinteresses des AG hinnehmbar ist. Bei der von dem AG gestellten Sicherungsabrede wird die Ablösung des Sicherheitseinbehalts jedoch davon abhängig gemacht, dass die im Abnahmeprotokoll aufgenommenen Mängel vollständig beseitigt wurden. Das beschränkt das Austauschrecht des AN, weil die Frage, ob im Abnahmeprotokoll festgestellte Mängel bestehen, langwierige Kontroversen sein können, die auch über die Dauer der Verjährungsfristen für Mängelansprüche hinaus nicht abschließend geklärt sein müssen.

Fazit:

Der BGH führt mit diesem Urteil seine ständige Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Klauseln, die zur erschwerten Ausübung des Austauschrechts führen, einheitlich fort.

Dem AN ist der Einbehalt unverzüglich nach Stellung einer selbstschuldnerischen unbefristeten Bürgschaft auszuzahlen. Faktische Beschränkungen des Austauschrechts in formularmäßigen Klauseln des AG zu Lasten des AN führen zur Unwirksamkeit der Klausel und zum Verlust des Sicherungsrechts für den AG. Er sollte daher keine Bedingungen an den Austausch des Sicherungseinbehalts knüpfen, die dem AN den Austausch des Sicherungseinbehalts erschweren.

Autor

Dr. Amneh Abu Saris

Dr. Amneh Abu Saris

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