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Mehrvergütungsanspruch für Zusatzleistungen auch bei Pflicht zur Vorlage von Nachtragsangeboten „möglichst vor Ausführung“

OLG Hamm, Urteil vom 16.01.2017 - 17 U 111/16

 Soll der Auftragnehmer "möglichst" vor Ausführung von Änderungs- oder Zusatzleistungen ein Nachtragsangebot vorlegen, hat er auch dann Anspruch auf zusätzliche Vergütung, wenn er vor Ausführung kein derartiges Angebot vorgelegt hat.

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 16.01.2017 einem Auftragnehmer Mehrvergütung für verschiedene Zusatzleistungen zugestanden, die dieser im Rahmen eines Pauschalpreisvertrages ohne Vorlage von Nachtragsangeboten dem Auftraggeber in Rechnung gestellt hat.

Dem Rechtsstreit liegt ein Pauschalpreisvertrag über die Errichtung eines Rohbaus zu einem „Festpreis“ über EUR 400.000,00 zugrunde. Der Festpreis sollte auch die „Vergütung von Nebenleistungen“ umfassen. Ferner enthält der Vertrag die Klausel, dass der Auftragnehmer auch solche Vertragsleistungen zu erbringen hat, die im Vertrag und seinen Anlagen zwar nicht ausdrücklich genannt, zur vollständigen Leistungserbringung jedoch erforderlich sind. Außerdem sieht der Vertrag vor, dass der Auftragnehmer „möglichst“ vor Ausführung von zusätzlichen oder geänderten Leistungen ein Nachtragsangebot vorlegt.

Das Landgericht Dortmund hat mit Teilurteil vom 10.05.2016 - 25 O 199/13, einen Anspruch des Auftragnehmers auf zusätzliche Vergütung für die Erbringung von Nachtragsleistungen mangels Vorlage von Nachtragsangeboten zurückgewiesen. Ohne entsprechende Nachtragsangebote seien die zusätzlichen Leistungen des Auftragnehmers als ein Angebot auf kostenlose Erbringung dieser Leistung zu sehen.

Das OLG Hamm hat in dem Berufungsverfahren das Teilurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen. Die Begründung des Landgerichts für die Zurückverweisung des Anspruchs auf zusätzliche Vergütung sei nicht ausreichend. Das Landgericht habe zu Unrecht als tragende Erwägung angeführt, dass kein Nachtragsangebot vorgelegt worden sei, obschon sich eine entsprechende Verpflichtung aus dem Vertrag ergebe.

Nach Auffassung des OLG Hamm ergebe sich aus dem Vertragsverhältnis nicht, dass der Auftragnehmer nur auf Grundlage eines Nachtragsangebotes vor der Bauausführung Mehrvergütung beanspruchen könne. Nach dem Vertragsverhältnis müsse lediglich „möglichst“ vor der Bauausführung ein Nachtragsangebot erfolgen, woraus sich aus Sicht des Gerichts keine entsprechende Pflicht herleiten lasse. Es sei zudem zu berücksichtigen, dass beiden Parteien bereits bei Abschluss des Bauvertrages die veränderten, letztlich maßgeblichen Pläne bereits vorgelegen haben. Die zwischen den Parteien getroffene Regelung über die Vorlage von Nachtragsangeboten sei jedoch ersichtlich nur auf nachvertraglich angeordnete Leistungsänderungen zugeschnitten. Das Landgericht hätte bei seiner Beurteilung vielmehr eine auf den Zeitpunkt des Bauvertragsschlusses bezogene Auslegung zu der streitigen Frage, auf welche Leistungen sich der genannte Pauschalpreis beziehen sollte, vornehmen müssen.

Fazit:

Die Entscheidung überzeugt. An den vertraglichen Ausschluss eines Vergütungsanspruchs für zusätzliche Leistungen müssen hohe Anforderungen gestellt werden. Bei offenen Formulierungen in einer Ausschlussklausel wie „möglichst“ bedarf es daher stets einer Auslegung sämtlicher Umstände des Einzelfalls.

Autor

Hauke Meyhöfer

Hauke Meyhöfer

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