Section-Image

Wertersatz bei Widerruf von aushäusig geschlossenem Werkvertrag

KG, Urteil vom 02.11.2021 – 21 U 41/21

Wenn der Verbraucher einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Werkvertrag widerruft, so steht dem Unternehmer für bereits erbrachte Leistungen nur unter den Voraussetzungen von § 357 VIII BGB ein Anspruch auf Wertersatz zu. Die Rückabwicklung eines widerrufenen Bauvertrags ohne Wertersatz zulasten des Unternehmers, kann im Einzelfall treuwidrig sein.

Der Fall

Der Kläger ist Eigentümer eines vermieteten Einfamilienhauses und beauftragte den beklagten Schreinermeister mit diversen Arbeiten im Haus. Die Parteien trafen sich im Juni 2019 zur Besichtigung des Hauses, wo der Kläger dem Beklagten mündlich den zuvor besprochenen Auftrag erteilte. Nachdem der Beklagte mit den Arbeiten begann, zahlte der Kläger eine erste Abschlagsrechnung. Anschließend gerieten die Parteien in Streit, sodass der Kläger mit Schreiben vom 18.05.2020 den Vertrag widerrief und die bereits geleistete Abschlagszahlung zurückforderte. Hierzu führte der Kläger aus, dass es sich bei dem Vertrag um einen Außer-Geschäftsraum-Vertrag handelt und der Beklagte ihn nicht über sein Rücktrittsrecht belehrt hat. Das hatte vor dem Kammergericht vollumfänglich Erfolg.

Die Entscheidung

Der Widerruf war wirksam, insbesondere rechtzeitig, da der Beklagte den Kläger nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hat, sodass das Widerrufsrecht erst mit Ablauf von einem Jahr und 14 Tagen erlosch. Aus diesem Grunde ist der Kläger auch nicht zum Wertersatz für die bereits erbrachte Leistung des Beklagten verpflichtet, die nicht zurückgegeben werden kann, weil sie im Haus eingebaut ist. Denn der Wertersatz ist gemäß § 357 VIII S. 2 BGB ausgeschlossen, da der Beklagte seine Leistungen ausführte, ohne den Kläger zuvor über sein Widerrufsrecht belehrt zu haben (BGH, NJW 2018, 3380). Ein Wertersatzanspruch des Schreiners ist entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht in analoger Anwendung des § 357d BGB herzuleiten, da eine solche Wertung im Widerspruch zum Ausschluss des Wertersatzes für „ungeklärte Dienstleistungen“ in Art. 14 IVa) EU-VerbrRL steht. Gleichwohl kann die Rückabwicklung eines widerrufenen Bauvertrages ohne Wertersatz im Einzelfall zulasten des Unternehmers als treuwidrig im Sinne des § 242 BGB anzusehen seien, da insbesondere bei kleinen Handwerksbetrieben nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, sich hinsichtlich der Widerrufsrechte umfassend rechtlich beraten zu lassen und eine Belehrung über das Widerrufsrecht mitunter als kontraintuitiv empfunden wird. Die Treuwidrigkeit ist vom betroffenen Bauunternehmer darzulegen. Dies ist hier jedoch unterblieben.

Fazit

Das Kammergericht stärkt erneut die Rechte der Verbraucher und schiebt einer analogen Anwendung des § 357d BGB zugunsten des Bauunternehmers im Lichte der Verbraucherrichtlinie einen Riegel vor. Eine vom Bauunternehmer darzulegende Treuwidrigkeit hingegen lässt ein Hintertürchen für einen Wertersatz im Falle der unterbliebenen Widerrufsbelehrung offen.

Autor

Nicolas Störmann

Nicolas Störmann

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Dr. Ralf Averhaus: BGH entscheidet Streit um Mindestsätze der HOAI - Mehr Rechtssicherheit für Architekten, Ingenieure und deren Auftraggeber

     

  • Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.: Zu den Anforderungen einer Baukostenobergrenze: Eine Aufstellung zur Kostenkontrolle ist noch keine Beschaffenheitsvereinbarung.

     

  • Christian Kirschberger: BGH: Stillstandskosten sind auch dann nach § 2 Abs. 5. / 6 VOB/B erstattungsfähig, wenn sie nur mittelbare Folge einer vom Auftraggeber angeordneten geänderten oder zusätzlichen Leistungen sind.

     

  • Kai Linnemannstöns: Keine Pflicht zur „planlosen“ Mängelbeseitigung