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Anmerkung zum Urteil des BGH vom 28.05.2020

 VII ZR 108/19

1.  Die Klägerin als Auftragnehmerin (AN) verlangt von der Beklagten als Auftraggeberin (AG) aus einem im Jahre 2010 geschlossenen VOB/B-Vertrag Restwerklohn. Die AN begehrte im Mai 2012 die Abnahme, die die AG wegen des Vorliegens wesentlicher Mängel verweigerte. Im weiteren Verlauf beseitigte die AN einige Mängel und stellte Ende April 2013 ihre Schlussrechnung. Die AG vertrat die Auffassung, dass der Werklohnanspruch mangels Abnahme nicht fällig wäre und beruft sich im Übrigen hilfsweise auf ein Zurückbehaltungsrecht und erklärt weiter hilfsweise für den Fall, dass der Werklohnanspruch fällig sei, die Aufrechnung mit Vorschuss- und Schadensersatzforderungen. Die AN erhebt gegenüber den Ansprüchen der AG die Einrede der Verjährung und meint, dass aufgrund dessen der Werklohnanspruch fällig wäre.

2. Der BGH weist dies – wie schon die Vorinstanzen – zurück. Der Werklohnanspruch ist in Ermangelung einer Abnahme nicht fällig. Eine Verjährung des Anspruchs der AG auf Herstellung des versprochenen Werkes würde auch nicht zur Fälligkeit des Werklohnanspruchs führen.

2.1. Die Fälligkeit eines Werklohnanspruchs setzt gemäß § 641 Abs. 1 BGB die Abnahme des Werkes voraus. Die Fälle der §§  641 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BGB a.F. kamen hier nicht in Betracht. Auch § 640 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. war nicht einschlägig. Die AG hatte die Leistungen der AN weder abgenommen noch war sie dazu verpflichtet, weil wesentliche Mängel vorlagen. Das Erfüllungsstadium war daher noch nicht beendet. Ein Werklohnanspruch kann zwar auch ohne Abnahme und trotz fehlender Abnahmepflicht fällig werden, wenn die Erfüllung unmöglich geworden ist oder der AG nicht mehr Erfüllung des Vertrags, sondern Minderung oder Schadensersatz verlangt oder die Abnahme des Werkes oder weitere Arbeiten des AN ernsthaft und endgültig ablehnt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - VII ZR 146/04). In diesen Fällen entsteht ein Abrechnungsverhältnis. Dem AN steht dann der Vergütungsanspruch und dem Besteller die allein auf Geldzahlung gerichteten Ansprüche wegen der unvollständigen oder mangelhaften Fertigstellung des Werks zu (BGH, Urteil vom 23. Juni 2005 - VII ZR 197/03) Diese Ausnahmen lagen hier aber nicht vor. Die AG hatte nie endgültig auf eine mangelfreie Fertigstellung des Werks verzichtet.

2.2 Auch eine Verjährung des Erfüllungsanspruchs würde nicht zur Fälligkeit des Werklohnanspruchs führen. Sie steht den Fällen eines Abrechnungsverhältnisses nicht gleich, weil es dem AN – anders als beim Abrechnungsverhältnis – nach wie vor rechtlich und tatsächlich möglich ist, den Anspruch des AG zu erfüllen und damit die Voraussetzungen für die Abnahme und die Fälligkeit des Werklohnanspruches herbeizuführen. Abgesehen davon führt der Eintritt der Verjährung nicht zum Untergang des Erfüllungsanspruchs. Sie hindert lediglich seine Durchsetzbarkeit. Der Anspruch bleibt erfüllbar, weil die Leistung abgenommen werden kann. Das Argument der AN, dass der AG nach Eintritt der Verjährung des Erfüllungsanspruchs diesen gemäß § 215 BGB nur noch einredeweise (§ 320 BGB) geltend machen kann, was aber voraussetze, dass der Werklohnanspruch auch ohne Abnahme fällig würde, verfängt nicht. Die Vorschrift des § 215 BGB begründet kein Zurückbehaltungsrecht, sondern setzt ein solches voraus und regelt dessen Fortbestand bei Verjährung des Gegenanspruchs. Da der AN vorleistungspflichtig ist, bedarf es vor der Abnahme eines Leistungsverweigerungsrechts des AG jedoch nicht, um eine Vergütungsklage abzuwehren.

2.3 Eine Verjährung des Erfüllungsanspruchs führt auch nicht dazu, dass sich der AG nicht mehr auf wesentliche Mängel berufen könnte und der Werklohnanspruch des AN ohne Abnahme fällig würde. Der AG muss seinen Erfüllungsanspruch auch nicht mit der Erhebung einer Einrede nach § 320 BGB verfolgen. Es verstößt nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Werklohnanspruch des AN in einer solchen Situation nicht fällig wird, weil er die Fälligkeit jederzeit herbeiführen kann, indem er die vorhandenen wesentlichen Mängel beseitigt. Der AG ist nicht gehalten, Maßnahmen zur Verjährungshemmung seines Erfüllungsanspruchs zu ergreifen, wenn er den Werklohn noch nicht (vollständig) gezahlt hat und berechtigt die Abnahme verweigert. Dies zeigt auch der Rechtsgedanke des § 215 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift betrifft beiderseits fällige Ansprüche. Ihr liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Schuldner, dem ein Gegenanspruch zusteht, kraft dessen er die Inanspruchnahme durch den Gläubiger erfolgreich abwehren kann, sich als hinreichend gesichert ansehen darf und durch die Verjährungsregeln nicht zur frühzeitigen Durchsetzung seiner Forderung im Wege der Aufrechnung oder Klageerhebung gedrängt werden soll (BGH, Urteil vom 5. November 2015 - VII ZR 144/14). Das gilt ebenso und erst recht, wenn der AG berechtigt die Abnahme verweigert und deshalb zu Recht davon ausgehen kann, dass ein Werklohnanspruch nicht fällig werden kann.

3. Die Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Der BGH musste sich insbesondere nicht mit der Frage auseinandersetzen, wann der Erfüllungsanspruch des AG verjährt und wie sich eine mögliche Verjährung auf die Mängelbeseitigung vor Abnahme auswirkt. Die sehr lesenswerte Entscheidung der Vorinstanz (OLG Hamm, Urt. v. 30.04.2019 – 24 U 14/18) behandelte die Frage der Verjährung des Erfüllungsanspruchs und gelangt zu dem Ergebnis, dass sich der Erfüllungsanspruch mit Abnahme in einen Nacherfüllungsanspruch umwandele und deshalb erst dann verjähre, wenn die Mängelansprüche verjähren, weil der Nacherfüllungsanspruch eng mit dem Erfüllungsanspruch verwandt sei. Allerdings sei es nach Auffassung des OLG Hamm nicht sachgerecht, dass der AG nur durch Erklärung der Abnahme den Zustand eines infolge der Verjährungseinrede nicht durchsetzbaren Anspruchs beenden und in das Stadium der Mängelansprüche gelangen könne, denn dann sei der AG letztlich dazu gezwungen, das Werk trotz erkannter Abweichungen vom vertraglich Vereinbarten abzunehmen, nur um eine vertragsgemäße Leistung erreichen zu können. Dies alles sprach nach Auffassung des OLG Hamm dafür, den Erfüllungsanspruch bei Schlechtleistung einer modifizierten Verjährungsfrist zu unterwerfen.

Voit erkennt an, dass damit ein Problem der Sicherheiten sachgerecht gelöst wird, weil sich die Erfüllungssicherheit dann ohne Weiteres auf den Zeitraum nach Ablauf der Regelverjährung erstreckt, sofern sie nicht zeitlich befristet wurde (Voit, NJW 2019, 3190, 3191). Mit dieser durchaus gewichtigen Argumentation und den daraus entstehenden offenen Fragen und Lösungsansätzen musste sich der BGH in der vorliegenden Entscheidung zu recht nicht auseinandersetzen (zur Problematik der Verjährung des Erfüllungsanspruchs und den Lösungsansätzen vgl. Voit, a.a.O. und Mundt, BauR 2020, 528 ff.), weil dies für die Entscheidung nicht maßgebend war. Dennoch bleibt natürlich die Frage offen, ob die Erfüllungsansprüche des AG der Regelverjährung unterliegen, wann diese beginnt und was die Folge einer erbrachten, aber im wesentlichen mangelhaften Werkleistung wäre. Der Erfüllungsanspruch unterliegt den allgemeinen Verjährungsregelungen der §§ 195 ff. BGB. Die Vorschrift des § 634 a BGB ist nur auf die Mängelansprüche anzuwenden, die aber nach der Rechtsprechung des BGH erst mit der Abnahme oder dann entstehen, wenn der Besteller keine Erfüllungsansprüche mehr geltend machen kann. Damit beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre, § 195 BGB. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien hinsichtlich der Mängel- oder Gewährleistungsansprüche eine andere Verjährungsfrist vereinbart haben, denn eine solche Vereinbarung bezieht sich auf die Mängelansprüche und wird in der Regel nicht so auszulegen sein, dass sie auch den Erfüllungsanspruch des Bestellers einschließen soll (so auch Voit NJW 2019, 3190, 3191). Die Regelverjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis hat, wobei das Gesetz Unkenntnis infolge grober Fahrlässigkeit gleichstellt. Das OLG Hamm versteht diese Regelung so, dass es auf den vereinbarten Fertigstellungstermin ankommt.

Zur Begründung verweist das Gericht auf § 271 BGB und darauf, dass der Erfüllungsanspruch erst zu diesem Termin fällig wird. Das ist hinsichtlich der Fälligkeit sicher richtig. Allerdings verlangt § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB für den Verjährungsbeginn jedoch nicht die Fälligkeit, sondern stellt auf das Entstehen des Anspruchs ab (Voit a.a.O.). Dieses wird aber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht im Erreichen des vereinbarten Fertigstellungstermins zu sehen sein. Auch wenn auf den Zeitpunkt abgestellt würde, an dem der Gläubiger den Anspruch klageweise geltend machen kann, dürfte dies der Vertragsschluss sein, denn in diesem Zeitpunkt ist zumindest eine Feststellungsklage zulässig (Voit a.a.O.). Wird also auf den Vertragsschluss abgestellt, so wird in der Ausführung oder stetigen Wiederaufnahme der Arbeiten in Erfüllung des Vertrags ein Anerkenntnis des Anspruchs zu sehen sein, das laufend zum Neubeginn der Verjährung führt, § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Verjährung kann also durchaus weit vor dem Fertigstellungstermin beginnen, wenn die Arbeiten vom Unternehmer nicht aufgenommen oder eingestellt werden. In einem solchen Fall ist es sachgerecht, für den Verjährungsbeginn nicht ohne Weiteres auf den Fertigstellungszeitpunkt abzustellen, sondern es bei der im Gesetz verwendeten Formulierung des Entstehens des Anspruchs zu belassen (Voit a.a.O.). Der AN könnte sich in einem solchen Fall auf die Verjährung des Erfüllungsanspruchs berufen, der AG die mangelnde Fälligkeit der Vergütungsforderung einwenden. Es entsteht eine Pattsituation (so auch Weise in NJW Spezial 2020, 492). Diese kann nur dadurch aufgelöst werden, dass der AN die Mängel beseitigt oder dadurch, dass der AG die Abnahme erklärt, um dann die Nacherfüllungsansprüche entstehen zu lassen. Dies hätte zur Folge, dass der AN zumindest Zug-um-Zug seine Restwerklohnansprüche durchsetzen könnte. Macht der AG vor Abnahme wesentliche Mängel geltend kann der AN diese also entweder beseitigen oder hilfsweise aus der letzten Abschlagsrechnung vorgehen. 

 

Dieser Beitrag ist ebenfalls in der ZfIR 2020, Heft 19, Seite 674 ff. erschienen.

Autor

Dr. Thomas Hildebrandt

Dr. Thomas Hildebrandt

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