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Neue HOAI kommt

Die Bundesregierung hat am 16.09.2020 den Referentenentwurf der Ersten Verordnung zur Änderung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI Ref-E) vorgelegt. Hiermit wird das Urteil des EuGH vom 04.07.2019 (C-377/17) umgesetzt. Der Gerichtshof hatte festgestellt, dass die verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI die EU-Dienstleistungsrichtlinie verletzen. Die Lösung ist, dass künftig die Honorare für alle von der HOAI erfassten Leistungen frei vereinbart werden dürfen. Nachfolgend geben wir einen Überblick über die wesentlichen Neuregelungen.

  1. Geltung für In- und Ausländer

Die neue Verordnung ist gemäß § 1 S. 1 HOAI Ref-E auf alle von ihr erfassten Ingenieur- und Architektenleistungen anwendbar. Damit gilt sie für In- und Ausländer sowie für Leistungen, die vom In- und Ausland aus erbracht werden. Der Anwendungsbereich der Verordnung wird unverändert leistungsbezogen, nicht berufsbezogen, bestimmt (BGH, Urteil vom 22.05.1997 – VII ZR 290/95, BGHZ 136, 1-11). Die HOAI gilt also nicht nur für Architekten und Ingenieure, sondern für alle, die die von ihr erfassten Leistungen erbringen.

  1. Honorarberechnung

Gemäß § 1 S. 2 HOAI Ref-E können die Parteien das Honorar nach der Verordnung berechnen, wenn sie eine Honorarvereinbarung schließen. Die HOAI enthält weiterhin Maßstäbe und Grundlagen für die Berechnung von Honoraren für die erfassten Leistungen. Die Parteien müssen aber nicht auf die in der Praxis bewährten Berechnungsparameter der HOAI zurückgreifen, sondern können hiervon abweichen. In Betracht kommt z. B. die Vereinbarung von Zu- und Abschlägen, Pauschalhonoraren oder Honoraren nach Zeitaufwand.

  1. Honorartafeln zur Orientierung

Die Honorartafeln bieten Orientierungswerte, die an der Art und dem Umfang der Aufgabe sowie an der Leistung ausgerichtet sind (§ 2a Abs. 1 S. 1 HOAI Ref-E). Sie enthalten für jeden Leistungsbereich Honorarspannen vom unteren (Basis-) Honorarsatz bis zum oberen Honorarsatz und sind für die Objekt- und Fachplanung nach Honorarzonen und anrechenbaren Kosten gegliedert. Damit gibt die HOAI eine Hilfestellung, um angemessene Honorare zu ermitteln.

  1. Leistungsbilder

Die in der Anlage 1 enthaltenen Leistungsbilder – wie z. B. die Bauphysik und Geotechnik - werden denjenigen in den Teilen 2 bis 4 der HOAI gleichgestellt (§ 3 Abs. 1 S. 3 HOAI Ref-E). Somit können die Honorare für alle in der HOAI und ihrer Anlage 1 genannten Leistungsbilder künftig entweder nach den Berechnungsparametern der HOAI oder hiervon abweichend vereinbart werden.

  1. Vereinfachte Honorarvereinbarung

Die zentrale Neuregelung ist der Grundsatz, dass sich das Honorar nach der Vereinbarung der Parteien richtet (§ 7 Abs. 1 S. 1 HOAI Ref-E). Das bisherige Schriftformerfordernis wird gestrichen. Für eine wirksame Honorarvereinbarung genügt es vielmehr, wenn diese in Textform getroffen wird. Gemäß § 126b BGB erfordert dies nur eine lesbare Erklärung, die den Erklärenden nennt, auf einem dauerhaften Datenträger (z. B. gespeicherte E-Mail, Computerfax oder SMS). Zudem muss die Honorarvereinbarung nicht mehr gleichzeitig mit dem Vertragsschluss getroffen werden. Sie kann vielmehr demnächst schon vor oder bei oder erst nach der Auftragserteilung geschlossen sowie nach Vertragsschluss geändert werden. Der Abschluss wirksamer Honorarvereinbarungen wird damit erheblich vereinfacht. Dies ist auch im Sinne der Rechtssicherheit zu begrüßen.

Zum Schutz von Verbrauchern („Häuslebauer“) müssen diese vor Abschluss der Honorarvereinbarung in Textform darauf hingewiesen werden, dass von den Honorartafeln abgewichen werden kann (§ 7 Abs. 2 S. 1 HOAI Ref-E).

  1. Auffangregelung: Basishonorar

Ohne wirksame Honorarvereinbarung gilt für Grundleistungen der jeweilige Basishonorarsatz als vereinbart, also der untere Wert der Honorarspanne nach der HOAI (§ 1 Abs. 1 S. 2 HOAI Ref-E). Damit erhalten Auftragnehmer ein Auffanghonorar in Höhe des bisherigen Mindestsatzes. Die Vermutung dient der Rechtssicherheit und vermeidet Streitigkeiten über die Höhe der üblichen Vergütung. Allerdings dürfte die Fiktion eher selten eingreifen, da die Vereinbarung einer wirksamen Honorarvereinbarung erleichtert wird (s. o.).

  1. Stichtag: 01.01.2021

Die neue Fassung der HOAI soll am 01.01.2021 in Kraft treten. Zuvor muss noch das ebenfalls geänderte Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG) in Kraft treten und der Bundesrat der Verordnung zustimmen. Der Stichtag ist praxisnah gewählt: Für die in 2020 geschlossenen Verträge gilt noch die HOAI 2013 und für Verträge ab dem 01.01.2021 die neue HOAI 2021. Bei öffentlichen Vergaben ist allerdings nach einem Erlass des BMI vom 05.08.2019 schon jetzt zu beachten, dass Angebote nicht allein deshalb ausgeschlossen werden dürfen, weil sie den Mindestsatz unter- oder den Höchstsatz überschreiten.

 

Autor

Dr. Ralf Averhaus

Dr. Ralf Averhaus

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