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Bedenkenanzeige immer unverzüglich an den Bauherrn!

OLG Schleswig, Urteil vom 24.05.20191 U 71/18, BGH, Beschluss vom 27.05.2020 - VII ZR 126/19 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

1. Der Auftragnehmer haftet auch dann für einen Mangel seiner Leistung, wenn der Mangel aus der Sphäre des Bauherrn stammt, er etwa auf dessen Anweisungen oder auf den Vorleistungen eines anderen Unternehmers beruht. Der Auftragnehmer kann sich in diesem Fall von seiner Verantwortung befreien, wenn er den Auftraggeber auf die bestehenden Bedenken hinweist)*

2. Hat der Auftraggeber einen bauleitenden Architekten eingesetzt, kann der Bedenkenhinweis auch diesem erteilt werden. Das gilt jedoch nicht, wenn er Bedenken gegen Anordnungen oder Planungen des Architekten selbst hat oder wenn sich der Architekt der Bedenkenanmeldung verschließt)*

3. Der Bedenkenhinweis muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Dem Auftraggeber muss die Tragweite der Nichtbefolgung klar werden. Die nachteiligen Folgen und die sich daraus ergebenden Gefahren der unzureichenden Bauausführung müssen konkret dargelegt werden)*

4. Beauftragt der Auftraggeber den Auftragnehmer nach einer vorausgegangenen Auseinandersetzung vorbehaltlos und entgeltlich mit der Beseitigung von streitigen Mängeln, kann darin ein Verzicht auf Mängelrechte liegen. Angesichts der Tragweite eines Verzichts muss die Erklärung aber eindeutig sein)*

Eine Generalunternehmerin (GU – hier Klägerin) beauftragte im Jahr 2013 unter Einbeziehung der VOB/B einen Nachunternehmer (NU – hier Beklagte) mit der Erbringung von Abdichtungsarbeiten auf Terrassen und Balkonen zweier Mehrfamilienhäuser. Die Planung gab vor, dass die Abdichtungsarbeiten durchgeführt werden sollten, bevor das Wärmedämmverbundsystem installiert wurde. Vor Aufbringung der Abdichtungsbahnen stellten die Mitarbeiter des NUs jedoch fest, dass das Wärmedämmverbundsystem bereits angebracht war, sodass die Abdichtungsbahnen nicht wie vorgesehen direkt auf dem Mauerwerk angebracht werden konnten. Daraufhin wandte sich der NU mit einer E-Mail an den Bauleiter des GU und teilte mit, dass die Ausführung einen Mangel darstelle. Der NU wies darauf hin, dass er nun die Abdichtungsbahn an der Isolierung hochführen werde. Der Bauleiter antwortete darauf, dass die Arbeiten so ausgeführt werden sollten. Im Jahr 2015 wurde festgestellt, dass Feuchtigkeit in die Gebäude eindrang. Hierbei wurde die mangelhafte Ausführung der Abdichtungsbahnen festgestellt. Der NU verweigerte Nachbesserungsarbeiten ohne Bezahlung. Daraufhin beauftragte der GU den NU mit Sanierungsarbeiten auf Stundenlohnbasis. Im Rechtsstreit verlangt der GU nun die gezahlten Kosten der Mängelbeseitigung in Höhe von 108.704,57 Euro zurück. Das Landgericht sah den Bedenkenhinweis des Nachunternehmers als ausreichend an und wies die Klage ab.

Dies sah das OLG anders!

Die Leistung des NU war unstreitig mangelhaft. Der NU hat sich nicht hinreichend durch seinen Bedenkenhinweis von der Verantwortung befreit. Das OLG stellt klar, dass ein Unternehmer auch verantwortlich bleibt, wenn der Mangel aus der Sphäre des Bauherrn stammt. Zwar kann der Unternehmer sich in diesem Fall nach § 13 Abs. 3 VOB/B von der Verantwortung befreien, wenn er den Bauherrn nach § 4 Abs. 3 VOB/B auf die bestehenden Bedenken hinweist, dabei ist dieser Bedenkenhinweis aber an den richtigen Adressaten zu richten und muss einen hinreichenden Inhalt haben. Ein solch ausreichender Bedenkenhinweis lag hier nicht vor. Ein Bedenkenhinweis kann grundsätzlich auch an einen bauleitenden Architekten erteilt werden, jedoch muss der Unternehmer den Bauherrn selbst informieren, wenn er Bedenken gegen Anordnungen oder Planungen des Architekten selbst hat. Nichts anderes gilt, wenn der Bauherr jemanden anders als Bauleiter einsetzt, denn der Vertrag des Werkunternehmers besteht allein zum Bauherrn. Handelt also der Bauleiter offenkundig gegen dessen Interessen, muss der Bauherr selbst informiert werden. Auch die Folgen der Bedenkenanmeldung sind zu werten. Leistet der Bauleiter dem Bedenkenhinweis Folge oder veranlasst, dass die Leistung den Regeln der Technik entsprechend erbracht wird, ist dem Zweck des Bedenkenhinweises Genüge getan. Gibt der Bauleiter dagegen Anweisungen, die zu einer regelwidrigen Leistungsausführung führen, oder verschließt er sich dem Hinweis des Unternehmers, wie die Leistung richtig auszuführen ist, so liegt in der Anordnung eine Vertragsänderung. Eine solche abändernde Vereinbarung kann nur jemand treffen der mit Vollmacht des Bauherrn handelt. Dies war bei dem Bauleiter im vorliegenden Fall nicht der Fall und dürfte auch sonst eher selten vorkommen.

Der Bedenkenhinweis muss inhaltlich klar bestimmt sein. Es reicht nicht, zu schreiben, dass die beabsichtigte Ausführung einen Mangel darstellt. Im vorliegenden Fall fehlten Angaben, aus welchen Gründen die Ausführung mangelhaft war und insbesondere welche Folgen eintreten könnten. Das genügt nicht! Auch nicht, wenn die Erklärung dem Bauleiter gegenüber erfolgt, denn aus der Stellung eines Bauleiters können keine vertieften Kenntnisse für eigene Fachgebiete vorausgesetzt werden.

Der GU hat nicht auf die Mängelrechte aus § 13 VOB/B verzichtet, als er den NU mit der Mangelbeseitigung gegen Entgelt beauftragt hatte. Zwar kann in der Annahme eines solchen Vertrags die Erklärung liegen, der Werklohnforderung des Unternehmers keine Rechte wegen vorher umstrittener Mängel entgegensetzen zu wollen. Allerdings muss ein solcher Verzicht in einer eindeutigen Erklärung abgegeben werden. In diesem Fall kam hinzu, dass die Parteien bei Beauftragung der Mängelbeseitigungsarbeiten noch dabei waren, die Mangelursachen zu klären. Das OLG stellt darauf ab, dass angesichts noch ungeklärter Mängelursachen der NU nicht davon ausgehen konnte, dass der GU mit Erteilung des Auftrags vollständig auf Mängelrechte verzichten wollte.

Fazit:

Eine Bedenkenanzeige sollte immer schriftlich und unverzüglich erfolgen und deutlich formuliert sein. Dabei ist zu raten, diese immer an den Bauherrn zu richten und dem Architekten oder Bauleiter eine Abschrift zur Kenntnis zukommen zu lassen. So ist auch das Risiko gebannt, dass der Architekt sich den Bedenken verschließt oder diese bei Planungsfehlern nicht weiterleitet.

Autor

Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.

Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.

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