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Möglichkeit von Schadensersatz – auch bei verjährten Mängelansprüchen

BGH, Urteil vom 23.02.2021 – VI ZR 21/20

Zum Fall

Die Beklagte führt in einer neu errichteten Sporthalle Installationsarbeiten im Sanitärbereich durch. Die Arbeiten werden im Jahr 1995 abgenommen. Im Jahr 2009 bemerkt die Eigentümerin der Halle Leckagen, für die eine unsachgemäße Ausführung der Installationsarbeiten verantwortlich ist. Das austretende Wasser hat sich hinter Wandabdichtungen und im Fußbodenaufbau verteilt. Dadurch kam es zu Durchfeuchtungen.

Die Eigentümerin ließ die hierdurch entstandenen Schäden beseitigen und verlangt von der Beklagten mit Klage vom 31.12.2012 die für die Ermittlung und Beseitigung der Schäden entstandenen Kosten im Wege des Schadensersatzes.

Sowohl das Landgericht Stralsund in erster Instanz sowie das OLG Rostock in zweiter Instanz hielten die Klage für unbegründet. Das OLG Rostock führt aus, dass die Errichtung der Sporthalle sowie die Installationsarbeiten der Beklagten eine Gesamtbaumaßnahme darstellten; die fehlerhafte Ausführung der Arbeiten stelle insoweit einen Mangel an der Gesamtmaßnahme dar und sei mit den entstandenen Schäden insoweit „stoffgleich“. Der sog. deliktische Anspruch scheitere aus diesem Grunde.

Zur Entscheidung

Dem folgt der BGH nicht – die Entscheidung des OLG Rostock wird aufgehoben und zurückverwiesen. Im Gegensatz zu – hier unstreitig verjährten – Mängelrechten kommt es für Ansprüche aus Delikt nicht auf die Erwartungen an, bei Erwerb eine mangelhafte Leistung zu erhalten. Maßgeblich ist daher das Interesse, durch die in Verkehr gegebene Leistung (hier: Installationsarbeiten) nicht in eigenen Rechtsgütern wie dem Eigentum verletzt zu werden (sog. Integritätsinteresse). Das Beurteilungskriterium ist die sog. Stoffgleichheit: Entspricht der Schaden dem Unwert, den die Sache wegen des Mangels von Beginn an ohnehin hatte, liegt Stoffgleichheit vor – eine deliktische Haftung kommt dann neben Mängelrechten nicht in Betracht. Ist andersrum der Mangel zunächst nur auf einen abgrenzbaren Teil einer Sache begrenzt sowie für sich genommen behebbar und führt dieser erst später zu weiteren Zerstörungen an der Sache, ist das Integritätsinteresse beeinträchtigt und der deliktische Schadensersatzanspruch ist zu erwägen (da dann keine Stoffgleichheit vorliegt). So lag der Fall für den BGH hier; die fehlerhaften Installationsarbeiten stellten einen abgrenzbaren Mangel dar, der erst später weitere Teile der Sache beschädigt hat.

Der Anspruch war – anders als die Mängelrechte – jedenfalls auf Grundlage der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Sachverhaltsinformationen zudem noch nicht verjährt.

Ergebnis

Der BGH greift auf bereits bekannte Abgrenzungskriterien zurück und bejaht eine deliktische Haftung. Er setzt sich dabei auch mit einer Entscheidung des VII. Zivilsenats auseinander, wonach ein deliktischer Anspruch auch ausscheide, wenn durch die vertragliche Leistung das beschädigte Bauteil gerade geschützt werden soll (BGH, Urteil vom 27.01.2005 – VII ZR 158/03). Ein solcher Schutzzweck soll nach hier besprochener Entscheidung nicht schon deshalb vorliegen, weil der Schaden bei ordnungsgemäßer Leistungserbringung nicht eingetreten wäre.

Für die Praxis bedeutet die Entscheidung, dass auch bei Verjährung von Mängelansprüchen deliktische Ansprüche weiter denkbar sind, da diese grundsätzlich anderen Verjährungsregeln unterliegen.

Autor

Kai Linnemannstöns

Kai Linnemannstöns

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