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Es bleibt dabei: Bauzeitbedingte Mehrkosten nur mit bauablaufbezogener Darstellung!

OLG Köln, Urteil vom 29.08.2019, 7 U 113/18

BGH, Beschluss vom 08.04.2021, VII ZR 216/19

(Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Der Auftraggeber beauftragte den Auftragnehmer mit der Ausführung von Rohbauarbeiten für die Baumaßnahme einer barrierefreien Stadtbahnhaltestelle. Die Rohbauarbeiten sollten bis zum 05.10.2012 abgeschlossen sein. Abgenommen wurden die Arbeiten jedoch erst am 25.03.2014. Im Leistungsverzeichnis waren verschiedene zeitbezogene Vorhaltepositionen enthalten, die der Auftragnehmer aufgrund der eingetretenen Bauzeitverlängerung nun als Vergütungsansprüche gemäß § 2 Abs. 2 VOB/B geltend machte. Zur Begründung führte der Auftragnehmer an, die Verlängerung der Bauzeit sei auf von ihm nicht zu vertretende Umstände zurückzuführen. Zunächst sei der Auftragnehmer witterungsbedingt an der Ausführung der Bauleitungen gehindert gewesen. Dann sei festgestellt worden, dass im Ausführungsbereich der vertraglich geschuldeten Leistung Kabelleerrohre querten, was aus der Ausführungsplanung nicht ersichtlich war. Insgesamt sei die Planung und Ausführung, auch wegen der kalten Witterung, sehr umfangreich gewesen. Schließlich hätten auch Änderungswünsche des Auftraggebers sowie eine mangelnde Koordination der Folgegewerke zu den Verzögerungen geführt. Außerdem war der Auftragnehmer der Ansicht, das aufgrund der unstreitig erbrachten vertragsgemäßen Leistungen der Auftraggeber dafür darlegungs- und beweisbelastet sei, dass die eingetretene Verzögerung durch den Auftragnehmer verursacht und von diesem auch zu vertreten sei.

Der Auftragnehmer dringt weder mit seinem Vergütungsanspruch noch mit seiner Auffassung betreffend die Darlegungs- und Beweislast durch. Ein Anspruch auf Mehrvergütung wegen verlängerter Bauzeit steht ihm nicht zu.

Das Oberlandesgericht hat zum einen ausgeführt, dass auch vertraglich vereinbarte Mehrvergütungsansprüche objektiv voraussetzen, dass der Auftragnehmer die Verzögerung nicht verursacht hat, sondern diese dem Auftraggeber zuzurechnen sind. Dies ergibt sich aus der gebotenen Auslegung der entsprechenden Positionen des Leistungsverzeichnisses. Ein entsprechend beauftragtes Angebot von zeitbedingten Mehrkosten ist auch nach dem objektiven Willen der Vertragsparteien und nach dem objektiven Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Auftragnehmers so zu verstehen, dass diesem auch im Falle von im Ausschreibungstext enthaltenen Leistungspositionen jedenfalls dann keine Vergütung für Verlängerungszeiträume zusteht, für die der Auftragnehmer selbst verantwortlich ist.

Zum anderen hat das Oberlandesgericht auch für Vergütungsansprüche nach § 2 Abs. 2 VOB/B eine bauablaufbezogene Darstellung gefordert und ausgeführt, dass im Rahmen der Darlegung eines Anspruchs wegen Bauzeitverzögerung bzw. auf zeitabhängige Mehrkosten eine baustellenbezogene Darstellung der Ist- und Sollabläufe notwendig ist, die die Bauzeitverlängerung nachvollziehbar macht. Das Oberlandesgericht hat auch für zeitabhängige Mehrkosten verlangt, dass im Rahmen dieser Darstellung vom Auftragnehmer selbst verursachte Verzögerungen ebenso zu berücksichtigen sind wie erteilte Nachträge. In jedem Fall ist auch darzulegen, wie der Auftragnehmer den Bauablauf tatsächlich geplant hatte, das heißt, welche Teilleistungen er in welcher Zeit herstellen wollte und wie der Arbeitskräfteeinsatz erfolgen sollte. Dem ist nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts der tatsächliche Bauablauf gegenüberzustellen und die einzelnen Behinderungstatbestände aufzuführen sowie deren tatsächliche Auswirkungen auf den Bauablauf zu erläutern. Die Darstellung muss insbesondere auch die Beurteilung ermöglichen, ob die angesetzten Bauzeiten mit den von der Preiskalkulation vorgesehenen Mitteln eingehalten werden konnten und ob die Baustelle auch tatsächlich mit ausreichenden Arbeitskräften besetzt war. Zu berücksichtigen sind nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts auch unstreitige Umstände die gegen eine Behinderung sprechen, z. B. die Möglichkeit, einzelne Bauabschnitte vorzuziehen oder Arbeitskräfte anderweitig einzusetzen. Diesen Anforderungen wurde der Auftragnehmer mit seinen Darlegungen im entschiedenen Fall nicht gerecht.

Fazit

Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung. Bauzeitbedingte Mehrkosten bedürfen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, grundsätzlich einer bauablaufbezogenen Darstellung. Das Oberlandesgericht Köln hat dies nun auch für entsprechende Vergütungsansprüche aus § 2 Abs. 2 VOB/B bestätigt. Insgesamt ist also eine konkret bauablaufbezogene Darstellung mit Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen erforderlich. Es empfiehlt sich daher sowohl den der Kalkulation zugrunde liegenden Bauablauf (Soll-Ablauf) inklusive wichtiger Meilensteine zu dokumentieren und gegebenenfalls an den Auftraggeber zu kommunizieren als auch den tatsächlichen Ablauf im Bauvorhaben (Ist-Ablauf) nachzuhalten und mit entsprechenden Unterlagen (Behinderungsanzeigen, Bedenkenmeldungen, Nachträgen etc.) zu belegen. Berücksichtigt werden sollten darüber hinaus sogenannte Pufferzeiten und eigene Versäumnisse. So lässt sich auch eine Grundlage schaffen, die es einem baubetrieblichen Sachverständigen ermöglicht, anhand der erstellten Dokumentation des Bauablaufs diesen nachzuvollziehen und die sich hieraus ergebenden konkreten Mehrkostenansprüche zu berechnen.

Autor

Andrea Hierl

Andrea Hierl

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