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Die Abrechnung eines einvernehmlich vorzeitig beendeten Bauvertrags!

Im Falle einer einvernehmlichen vorzeitigen Vertragsaufhebung steht dem Auftragnehmer (AN) nach Ansicht des KG Berlin nur ein Anspruch auf Vergütung der bis zum Zeitpunkt der Vertragsaufhebung erbrachten Leistungen zu, wenn zu diesem Zeitpunkt zu Gunsten des Auftraggebers (AG) ein wichtiger Kündigungsgrund verwirklicht war. Der AN hat hinsichtlich der nicht erbrachten Leistungen keinen Anspruch auf volle Vergütung abzgl. ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs.

KG, Urteil vom 11.06.2019 -21 U 142/18

Der AG kann den Bauvertrag mit dem AN gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B und § 648 S. 1 BGB n.F. bis zur Vollendung jederzeit kündigen. Das wirksam gekündigte Bauvertragsverhältnis wandelt sich dann in ein Abrechnungsverhältnis. In Folge dieser sog. „freien Kündigung“ hat der AN einen Vergütungsanspruch für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen. Hinsichtlich der geschuldeten, aber in Folge der Kündigung nicht mehr ausgeführten Leistungen kann der AN gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B i.V.m. § 648 S. 2 BGB n.F. (649 BGB a.F.) die volle Vergütung abzgl. ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs verlangen (vgl. Leinemann-Franz, VOB/B, § 8, Rn. 59). Kündigt der AG dagegen gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B aus wichtigem Grund, weil sich der AN z.B. weigert, gerügte Mängel abzustellen, steht dem AN („nur“) ein Anspruch auf Vergütung der bis dahin erbrachten Leistungen gemäß § 648a Abs. 5 BGB n.F. zu (vgl. BGH, BauR 1995, 545; Ingenstau/Korbion-Joussen/Vygen, VOB, § 8 Abs. 3 VOB/B, Rn. 23; Kapellmann/Messerschmidt-Lederer, VOB/B, § 8, Rn. 101 m.w.N.). In beiden Fällen ist die Kündigung gemäß § 8 Abs. 6 VOB/B und § 650h BGB schriftlich zu erklären. Die Einhaltung der Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung; sie dient nicht lediglich Beweiszwecken (vgl. Leinemann-Franz, VOB/B, § 8, Rn. 210 m.w.N.).

In der Praxis fehlt es häufig an der Schriftform. Nicht selten kommt es vor, dass der AG entweder nur mündlich kündigt, mündlich ein Baustellenverbot ausspricht und/oder schlichtweg Leistungen an Stelle des AN ausführt. Auch kommt es vor, dass der AN in Folge von Meinungsverschiedenheiten mit dem AG die Baustelle unverrichteter Dinge verlässt und sich sodann weigert, die Leistungen wieder aufzunehmen. Es stellt sich dann regelmäßig die Frage, ob das Verhalten der Parteien als eine einvernehmliche vorzeitigte Vertragsaufhebung zu bewerten ist und auf welcher Grundlage der AN zur Abrechnung erbrachter und nicht erbrachter Leistungen berechtigt ist.

Nach der Rechtsprechung des KG steht dem AN in Folge einer einvernehmlichen vorzeitigen Vertragsaufhebung nur ein Anspruch auf Vergütung der bis dahin erbrachten Leistungen zu, wenn der AG zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war. Im Falle einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung hat der AN – so das KG – denselben Vergütungsanspruch wie im Fall einer Kündigung durch den AG. D.h. wäre der AG im Zeitpunkt der Vertragsaufhebung zu einer Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen, hätte der AN im Falle einer solchen Kündigung nur Anspruch auf Vergütung für die erbrachten Leistungen. Es ist dabei nicht erforderlich, dass sich der AG ausdrücklich auf den wichtigen Kündigungsgrund bezogen hat. Es genügt, dass dieser Grund tatsächlich besteht, dann kann er als Begründung für die Vertragsbeendigung nachträglich nachgeschoben werden.

Mit dieser Auffassung weicht das KG gewissermaßen von der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 26.04.2018 – Az. VII ZR 82/17) ab. Nach Ansicht des BGH hat der AN im Falle einer einvernehmlichen vorzeitigen Vertragsaufhebung regelmäßig einen Anspruch auf volle Vergütung abzgl. ersparter Aufwände und anderweitigen Erwerbs gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B i.V.m. § 648 S. 2 BGB n.F. Der Vergütungsanspruch des AN ist nur dann auf die tatsächlich ausgeführten Leistungen beschränkt, wenn die Parteien dies ausdrücklich oder konkludent vereinbart haben.

Fazit

Das Urteil des KG wirft Fragen und Probleme auf. Das KG höhlt mit seiner Entscheidung nicht nur das Schriftformerfordernis des § 8 Abs. 6 VOB/B (§ 650h BGB) als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kündigung aus. Darüber hinaus entstehen erhebliche Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten. Führt der AG z.B. Leistungen an Stelle des AN im Wege der Selbstvornahme aus, ohne zuvor den Vertrag zu kündigen, hätte der AN für diese teilentzogenen Leistungen einen Anspruch auf volle Vergütung abzgl. ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs gemäß § 2 Abs. 4 VOB/B i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VOB/B. Der AG hätte die Kosten der Selbstvornahme selbst tragen. Stand dem AG aber zu diesem Zeitpunkt ein Kündigungsgrund bei Seite und hätte er zuvor den Werkvertrag gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B gekündigt, hätte der AN nur einen Anspruch auf Vergütung der bis dahin erbrachten Leistungen (§ 648a Abs. 5 BGB n.F.). Darüber hinaus hätte der AG gegen den AN einen Anspruch auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B.

Kündigt der AG den Vertrag nur mündlich oder durch konkludentes Handeln (eben durch die Selbst- bzw. Ersatzvornahme) und stellt der AN daraufhin die Leistungen ein, kommt es zu erheblichen Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten. Dem AG kann nicht pauschal unterstellt werden, durch konkludentes Verhalten einerseits dem AN die Vergütung für nicht ausgeführte Leistungen zuzubilligen und andererseits auf Ersatzansprüche zu verzichten. Gleiches gilt umgekehrt. Der AN wird regelmäßig nicht freiwillig auf seine Vergütung verzichten wollen, nur weil ihm der AG Leistungen ausdrücklich oder konkludent entzieht. Erst Recht nicht wird er für die Kosten der Ersatzvornahme einstehen wollen.

D.h., je nach Interessenlage und Prozesssituation wird der AN die mündliche Kündigung bzw. einvernehmliche Vertragsaufhebung bestreiten und behaupten, leistungsbereit gewesen zu sein. Verlangt der AN für die teilentzogenen Leistungen eine Vergütung, wird der AG dagegen einwenden, zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen zu sein. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 11.10.2017 - VII ZR 46/15) ist das „Nachschieben“ von Kündigungsgründen zulässig, wenn die Voraussetzungen zum Zeitpunkt der (nicht) erfolgten Kündigung bzw. einvernehmlichen Vertragsaufhebung bereits vorlagen. Um solche Abgrenzungs- und Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, sind die Parteien daher gut beraten, bei Vorliegen der Voraussetzungen die Kündigung schriftlich zu erklären oder aber mit dem Aufhebungsvertrag die Vergütungsfolgen schriftlich zu regeln.

Autor

Dr. Danilo Rosendahl

Dr. Danilo Rosendahl

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