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Kein Vorkaufsrecht der Gemeinde bei Eigentumswohnungs-Verkäufen, selbst wenn alle Wohnungen einheitlich verkauft werden

OLG Hamm, Beschluss vom 14.12.2011 – I -15 W 476/11

Besteht für ein Grundstück ein Vorkaufsrecht der Gemeinde bzw. des Bezirks, sei es aufgrund einer Milieuschutzsatzung, einer Vorkaufssatzung oder einem der sonstigen in §§ 24 Abs. 1 S. 1, 25 Abs. 1 BauGB aufgeführten Fälle, so müssen Käufer und Verkäufer der Gemeinde den Abschluss des Kaufvertrages gem. § 28 Abs. 1 S. 1 BauGB anzeigen. Soll der Käufer schließlich als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen werden, muss dem Grundbuchamt gem. Satz 2 hierzu zunächst ein Nachweis über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts vorgelegt werden. Hierzu hat die Gemeinde gem. Satz 3, 4 gegebenenfalls einen Negativattest auszustellen.

All dies gilt jedoch nur, soweit ein Vorkaufsrecht auch tatsächlich besteht. Liegt bereits gar kein Fall vor, bei dem der Gemeinde ein Vorkaufsrecht nach § 24 ff. BauGB zukommt, so muss dem Grundbuchamt kein solcher Negativattest vorgelegt werden (wenngleich ein solcher trotzdem bei der Gemeinde beantragt werden kann). Es reicht dann auch ein sonstiger Nachweis über das Nichtbestehen des Vorkaufsrechts gem. § 28 Abs. 1 S. 3 BauGB. So hat der BGH schon im Jahr 1978 entschieden, dass  dieser Nachweis bereits in der Vorlage des notariellen Vertrags selbst bestehen kann, wenn sich bereits aus diesem ergibt, dass kein Vorkaufsfall ausgelöst wird (BGH, Beschluss vom 24.11.1978, Az.: V ZB 14/78).

In diesem Sinne hat auch das OLG Hamm Ende 2011 entschieden, dass die Vorlage eines solchen Negativattests vom Grundbuchamt nicht verlangt werden kann, wenn es um den Verkauf von Eigentumswohnungen geht (OLG Hamm, Beschluss vom 14.12.2011 - I-15 W 476/11). Bei dem Kauf von Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ist ein gemeindliches Vorkaufsrecht nämlich vom Gesetzgeber in den §§ 24 Abs. 2, 25 Abs. 2 S. 1 BauGB ausdrücklich ausgeschlossen worden.

Diese Ausnahme für Wohnungseigentum war in den §§ 24 ff. des bis zur Einführung des Baugesetzbuches 1987 geltenden Bundesbaugesetzes  (BBauG) noch nicht vorgesehen. Dementsprechend wurde vor der Gesetzesnovellierung auch beim Verkauf von Eigentumswohnungen, die Teil eines mit einem Vorkaufsrecht der Gemeinde belasteten Grundstücks sind, das Eintreten des Vorkaufsfalls angenommen (vgl. BGH, Beschluss vom 16.02.1984, Az.: V ZB 24/83).

Auch wenn sich das OLG Hamm in seiner Entscheidung vordergründig mit der Frage befasst hat, ob das Grundbuchamt die Vorlage eines Negativattests verlangen kann, so hat es dabei gleichzeitig auch relevante Aussagen über die Reichweite der Ausnahme des § 24 Abs. 2 BauGB getroffen:

Dass alle auf einem Grundstück befindlichen Wohnungseigentumseinheiten verkauft werden, ändert nach Ansicht des Gerichts nichts an der Wirkung dieser Ausnahme: § 24 Abs. 2 BauGB schließt das Vorkaufsrecht allgemein beim Kauf von „Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz“ aus. Einschränkungen hierzu sind im Gesetz nicht vorgesehen, auch nicht für den Fall einer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit. Die Formulierung solcher Einschränkungen sei auch nicht Aufgabe der Rechtsprechung, sondern des Gesetzgebers.

Fazit

Ein öffentlich-rechtliches Vorkaufsrecht der Gemeinde nach §§ 24 ff. BauGB ist für den Verkauf von Rechten nach dem WEG ausgeschlossen. Diese Ausnahme gilt auch dann, wenn der Verkauf bei wirtschaftlicher Betrachtung dem Verkauf des gesamten Grundstücks gleichsteht.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber, dass diese Entscheidung nicht auf das zivilrechtliche gesetzliche Vorkaufsrecht des Mieters nach § 577 BGB übertragbar ist. Hier löst ein solcher Paketverkauf das Mietervorkaufsrecht nach dem klaren Wortlaut der Norm und nach herrschender Meinung aus (Hans Frieder-Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 8. Auflage 2017, S. 861 Rn. 4214 m.w.N., u.a. BGH, Urteil vom 22.06.2007 – V ZR 269/06).

Autor

Ulrich Neumann

Ulrich Neumann

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