News | Newsletter | Neues zum Vergaberecht 03/2019
OLG Karlsruhe Beschluss vom 14.08.2019 – 15 Verg 10/19
Das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 14.08.2019 – 15 Verg 10/19 entschieden, dass Erklärungen oder Nachweise, die körperlich vorliegen, aber nicht den Vorgaben entsprechen, nicht „fehlen“. Eine Nachforderungspflicht des Auftraggebers bestehe nur in rein formaler Hinsicht. § 56 Abs. 2 VgV sei dahingehend auszulegen, dass ein Bieter fehlerhafte Unterlagen nicht inhaltlich nachbessern darf.
In dem konkreten Fall schrieb der Antragsgegner in einem offenen Verfahren Leistungen der Bioabfallverwertung aus. Nachdem die Antragstellerin im eingeleiteten Nachprüfungsverfahren von der Nachforderung des Nachweises einer Umweltschadensversicherung i.H.v. 2 Mio. Euro durch die Beigeladene erfahren hatte, hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass das Angebot der Beigeladenen hätte deswegen ausgeschlossen werden müssen. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Der Antragsgegner hätte den Nachweis nachfordern dürfen. Der eingereichte Nachweis über eine Umweltschadensversicherung i.H.v. 1 Mio. Euro hätte den formalen Anforderungen nicht genügt und sei daher praktisch als nicht vorlegt anzusehen.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter. Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Da die Versicherungsbestätigung eine unternehmensbezogene Unterlage ist, durfte der Antragsgegner gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV Bieter unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte Versicherungsbestätigungen nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren. Aufgrund der Vorschrift können u.a. fehlende Unterlagen nachgereicht werden. Eine Unterlage fehlt, wenn sie körperlich nicht vorgelegt wurde. Die Beigeladene legte aber mit dem Angebot eine Umweltschadensversicherung mit einer Deckungssumme von 1 Mio. Euro, anstatt der geforderten Deckungssumme von 2 Mio. Euro vor. Der Nachweis einer abgeschlossenen Umweltschadensversicherung, lag somit körperlich vor, auch wenn dieser den Vorgaben nicht entsprach.
Eine unternehmensbezogene Unterlage wird auch als gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV fehlend behandelt, wenn sie in rein formaler Hinsicht nicht den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers entspricht. Eine lediglich fehlerhafte Unterlage, die in formaler Hinsicht vollständig übermittelt und verständlich ist, ihr Inhalt aber nicht den Anforderungen genügt, dagegen nicht. Die von der Beigeladenen vorgelegte Versicherungsbescheinigung hat den formalen Voraussetzungen an den vorzulegenden Nachweis abgeschlossener Versicherungen entsprochen. Der Umstand, dass die Versicherungsbestätigung, die die Beigeladene mit dem Angebot vorlegte, keine Umweltschadensversicherung mit einer Deckungssumme von 2 Mio. Euro auswies, kann nicht dazu führen, die Versicherungsbestätigung bei der formalen Prüfung als fehlend zu behandeln. Die nachgereichte Versicherungsbestätigung weist auch lediglich Änderungen von Deckungssummen aus. Der Versicherer ist der gleiche; die Versicherungen sind die gleichen; die Policennummer ist die gleiche. In der Nachforderung kann auch keine nach § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV zulässige Korrektur einer fehlerhaften Unterlage gesehen werden. § 56 Abs. 2 Satz 1 VgV ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass einem Bieter nicht Gelegenheit gegeben werden kann, inhaltlich nachgebesserte Unterlagen einzureichen, sondern nur unvollständige oder fehlerhafte Informationen oder Unterlagen zu übermitteln, zu ergänzen, zu erläutern oder zu vervollständigen.
Vorsicht bei der Abgabe eines Angebots! Auch der EuGH führt aus, dass Angebote ausnahmsweise in einzelnen Punkten berichtigt oder ergänzt werden, insbesondere wegen einer offensichtlich gebotenen bloßen Klarstellung oder zur Behebung offensichtlicher sachlicher Fehler, vorausgesetzt die Änderung laufe nicht darauf hinaus, dass in Wirklichkeit ein neues Angebot eingereicht werde.