Section-Image

Feststellungsinteresse bei einzelnen Schlussrechnungspositionen

BGH, Urteil vom 02.09.2021 – VII ZR 124/20

Wenn der Auftragnehmer nach Kündigung des Werkvertrages auch seine nicht erbrachten Leistungen schlussrechnet und zeitgleich die Feststellung begehrt, dass der Besteller ihm diejenigen Kosten zu erstatten hat, die ihm durch eine Inanspruchnahme des Nachunternehmers entstehen, dann hat der Auftragnehmer wegen des vom Nachunternehmer geltend zu machenden Anspruchs ein unabweisbares Bedürfnis an der Feststellung der Zahlungspflicht des Auftraggebers.

Der Fall

Die Beklagte beauftragte für ein Bauvorhaben in Berlin im September 2015 unter Einbeziehung der VOB/B die Klägerin für Rohbauarbeiten. Die Klägerin beauftragte ihrerseits die Streithelferin mit einem überwiegenden Teil der Rohbauarbeiten als Subunternehmerin. Im Juli 2016 kündigte die Beklagte den Vertrag mit der Klägerin, woraufhin die Klägerin den Vertrag mit der Streithelferin kündigte. Mit Schlussrechnung forderte die Klägerin von der Beklagten Zahlung in Höhe von ca. 475.000 € für aufgrund der Kündigung nicht erbrachte Leistungen, wovon sich eine Abrechnungsposition mit ca. 355.000 € aus der Aufstellung der Streithelferin ergab. Nachdem sich die Parteien teilweise in gesonderten Klageverfahren über die Vergütung hinsichtlich der bis zur Kündigung erbrachten und der nicht erbrachten Leistungen mit Ausnahme der nicht erbrachten Leistungen der Streithelferin, verglichen, verfolgte die Klägerin letztlich nur noch ihren Feststellungsantrag. Mit diesem begehrte sie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, die sich aus der Abrechnung der Streithelferin für nicht erbrachte Leistungen ergebenden Vergütung zu zahlen.

Die Entscheidung

Sowohl das Landgericht Berlin als auch das Kammergericht hielten den Feststellungsantrag mangels Feststellungsinteresse für unzulässig. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und gab den Fall zur neuen Verhandlung an das Berufungsgericht zurück. Zwar sei es grundsätzlich nicht möglich, aus einer Schlussrechnung nach § 14 VOB/B einzelne Abrechnungspositionen zum Gegenstand einer Feststellungsklage zu machen (BGH, NJW 1999, 1867). Denn einzelne Abrechnungspositionen sind in Bezug auf das Schlussrechnungssaldo lediglich unselbständige Rechnungspositionen, weshalb sie eine bloße Vorfrage für den Vergütungsanspruch und kein eigenständiges Rechtsverhältnis darstellen. Doch von diesem Grundsatz hat der BGH bereits eine Ausnahme gemacht, die auch hier Anwendung finden soll. Eine solche Ausnahme liegt vor, wenn der Auftragnehmer nach Kündigung eines Werkvertrages über seine erbrachten und nicht erbrachten Leistungen eine Schlussrechnung stellt, den sich aus der Schlussrechnung ergebenden Mindestbetrag geltend macht und darüber hinaus die Feststellung begehrt, dass der Besteller diejenigen Kosten zu erstattet hat, die durch eine mögliche Inanspruchnahme eines Nachunternehmers entstehen, weil insoweit Aufwendungen nicht erspart wurden (BGH NJW 1999, 1867). Da die Klägerin im für die Frage der Zulässigkeit der Feststellungsklage maßgeblichen Zeitpunkt die Beklagte nur noch auf Feststellung der von der Streithelferin geltend gemachten Forderungen in Anspruch genommen hat und die Parteien sich über alle anderen Positionen verglichen hatten, war Gegenstand des Feststellungsbegehrens nicht ein unselbständiger Rechnungsposten, sondern allein der noch offen stehende Vergütungsanspruch der Klägerin.

Fazit

Für den Fall einer freien Kündigung steht dem Auftragnehmer die vereinbarte Vergütung zu, abzüglich dessen, was sich der Auftragnehmer infolge der Vertragsaufhebung an Aufwendungen erspart hat. Da im vorliegenden Fall im Umfang der Inanspruchnahme der Klägerin durch die Streithelferin ersparte Aufwendungen nicht in Betracht kamen, ist auch in Bezug auf die Beklagte kein Abzug von der vereinbarten Vergütung vorzunehmen. Die Klägerin trug vor, den Anspruch der Streithelferin nicht beziffern zu können, weshalb sie die Feststellungsklage anstrengte. Diese Klage ist nach Auffassung des BGH dann zulässig, wenn die Beklagte ausschließlich hinsichtlich dieser Forderung auf Feststellung in Anspruch genommen wird.

 

Autor

Nicolas Störmann

Nicolas Störmann

Weitere Artikel dieser Ausgabe

  • Prof. Dr. Ralf Leinemann: Kein selbständiges Beweisverfahren zulässig, wenn die Parteien eine Schiedsgutachtenabrede getroffen haben

     

  • Dr. Marc Steffen: Vergütungsanspruch für zwingend erforderliche aber nicht beschriebene Leistungen

     

  • Igor Zarva, LL.M.: Ein Mangel ist kein Sachschaden – Mangelfreie Bolzen beim Brückenbau fehlerhaft montiert: kein Fall für die Montageversicherung