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Vergütungsanspruch für zwingend erforderliche aber nicht beschriebene Leistungen

KG, Urt. v. 07.09.2021 - 21 U 86/21

Der Leitsatz

Sind Änderungen zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolges notwendig, muss der Besteller sich entscheiden, ob er den vertraglich vereinbarten Erfolg weiter anstrebt oder auf ihn verzichtet. Entscheidet der Besteller sich nicht, liegt ein Verstoß gegen das Kooperationsgebot vor. Dies kann zu Mehrvergütungsansprüchen des Unternehmers führen.

Der Fall

In dem Rechtsstreit ging es um zusätzliche Leistungen, die ihm Rahmen eines Malergewerkes angefallen sind und für die der Auftragnehmer eine zusätzliche Vergütung begehrte. Hintergrund ist die Errichtung von 250 Wohnungen in 5 Gebäuden. Gegenstand des Vertrages waren Vertrages waren Spachtel- und Malerarbeiten. Die VOB/B wurde zur Vertragsgrundlage gemacht. Der Auftragnehmer begehrt im Rahmen einer einstweiligen Verfügung gemäß § 650d BGB die Bezahlung für Mehraufwand. Dieser sei aufgrund ungenauer Betonierungsarbeiten erforderlich geworden. Diese Betonierungsarbeiten des Vorgewerkes haben dazu geführt, dass es Schalungsstöße, Versprünge und Kanten gegeben habe, die es erforderlich machten, dass ein zusätzlicher Ausgleichputz aufgebracht wird. Das Kammergericht geht davon aus, dass das Auftragen des Ausgleichsputzes eine zwingend erforderliche Leistung war, um den ohnehin aus dem geschlossenen Vertrag geschuldeten Erfolg (ebener Putz) zu erreichen. Diese zusätzliche zwingend erforderliche Leistung (Ausgleichsputz) gehöre jedoch nicht zu den Leistungen, die bereits vom verpreisten Leistungsumfang umfasst waren.

Die Entscheidung

Weist der Unternehmer den Besteller darauf hin, dass der angestrebte werkvertragliche Erfolg nur durch weitere, nicht beschriebene zusätzliche Leistungen hergestellt werden kann, ist der Besteller verpflichtet, sich zweifelsfrei zu entscheiden, ob er den angestrebten werkvertraglichen Erfolg weiter verfolgt und er dafür bereit ist, weitere Kosten für die zusätzliche Leistung hinzunehmen oder ob er auf diesen Erfolg verzichtet, um die weiteren anstehenden Kosten zu ersparen. Fehlt eine entsprechende Erklärung des Bestellers in hinreichender Klarheit, liegt ein Verstoß gegen das allgemeine Kooperationsgebot vor und der Besteller darf sich nicht auf das Fehlen eines Begehrens oder einer Anordnung im Sinne von § 650b BGB berufen. Der Vergütungsanspruch folgt in diesem Fall aus § 650c BGB analog.

Fazit

Das Kammergericht ergänzt die Diskussion über die richtige Anspruchsgrundlage für die Vergütung von zwingend erforderlichen Leistungen, die in dem Vertrag nicht beschrieben wurden, um eine weitere Nuance. Der verfolgte Ansatz wird in vielen Fällen zur interessengerechten Lösung führen können. Die Entscheidung ist überzeugender als der Lösungsansatz über § 2 Abs. 8 VOB/B (BGH NJW 2013, 1950), eine GoA (OLG Jena, IBRRS 2020, 3742) oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage (BGH, NJW 2011, 3287). Es ist jedoch zu erwarten, dass auch die Entscheidung des Kammergerichtes zu dem hier besprochenen Problem noch nicht das letzte Wort gewesen sein wird (vgl. zum Ganzen auch Steffen, BauR 2022, 3).

Autor

Dr. Marc Steffen

Dr. Marc Steffen

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