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Die unfaire Begünstigung der öffentlichen Hand im Prozess

Wer seine Forderungen vor dem Landgericht einklagen muss, hat oft einen langen Weg zu gehen. Zudem sind Gerichtskosten und Sachverständigenkosten als Vorschuss zu leisten, wofür rasch sechsstellige Beträge zusammenkommen. Umso größer fällt die Überraschung aus wenn man erkennt, dass die öffentliche Hand als Prozesspartei von jeglichen Vorschüssen völlig befreit ist. Das regelt § 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Staat kann gegen seine Bürger vor dem Zivilgericht quasi kostenlos prozessieren und muss selbst bei einer vollständigen Niederlage keinerlei Gerichtskosten und auch keine Sachverständigenkosten bezahlen.

Hier entsteht gerade bei den oft mit knapper Liquidität kämpfenden Bauunternehmen das Gefühl, dass streitige Angelegenheiten vom öffentlichen Auftraggeber gern zu Gericht geschoben werden, damit kein  Behördenmitarbeiter die Verantwortung persönlich tragen muss – der Prozess kostet ja kaum etwas. Hat aber ein Gericht der Zahlungsklage stattgegeben, „kann man eben nichts machen“.

Diese Privilegierung der  öffentlichen Hand wird immer mehr als ungerecht empfunden. Wer nämlich die oft hohen Gerichtskosten nicht tragen muss, kann sich getrost verklagen lassen. Zu zahlen ist allenfalls das Anwaltshonorar, das auch noch gern über zwei oder drei Jahre Verfahrensdauer gestreckt werden kann und im Haushalt dann kaum auffällt. Die private Partei muss hingegen sofort alles bevorschussen und hat - je nach Streitwert – hohe Beträge schon vor Prozessbeginn zu bezahlen, was eine echte Hürde darstellt. § 2 Abs. 1 GKG fördert daher in seinen faktischen Auswirkungen die Haltung einiger Behörden, im Verhandlungswege keine Kompromisse zu machen, sondern sich getrost verklagen zu lassen. Das ist nicht nur volkswirtschaftlich unsinnig, es schadet auch unmittelbar den Vertragspartnern.  

Das Argument, es handele sich bei den Gerichtskosten ohnehin um öffentliches Geld, kann man nicht gelten lassen. Jede Behörde hat ihren eigenen Haushalt und die Gerichte sind bei den Landesjustizministerien angesiedelt. Müssten auch Behörden in Zivilprozessen Gerichtskosten tragen, wäre dies auch in den jeweiligen Haushalten der Behörden abzubilden und würde die Kosten der Prozessführung auch dort deutlicher machen.  Solche Kosten sind nämlich volkswirtschaftlich bei der Bewertung einer vergleichsweisen Regelung einzubeziehen, was die öffentliche Hand derzeit nicht tun muss. Im Übrigen wäre es nur fair, wenn die öffentliche Hand auch zu den Einnahmen der Justizkasse beitragen müsste, weil dann die angeblich chronische Unterdeckung der Kosten der Gerichte weitaus geringer ausfallen würde.

Die Politik muss auf diese Unwucht bei Rechtsstreitigkeiten in Zivilprozessen aufmerksam gemacht werden. Mit einer Abschaffung von § 2 Abs. 1 GKG kann auf einfache Weise die prozessuale Fairness im Zivilprozess wiederhergestellt werden.

Autor

Prof. Dr. Ralf Leinemann

Prof. Dr. Ralf Leinemann

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