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Keine Fristsetzung bei Schadensersatz wegen mangelbedingter Folgeschäden erforderlich

BGH, Urteil vom 07.02.2019 - VII ZR 63/18

  1. Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB kann Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Hiervon erfasst sind mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten*).
  2. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung. Sein Anwendungsbereich bestimmt sich nach der Reichweite der Nacherfüllung. Da die Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB auf Herstellung des geschuldeten Werks gerichtet ist, bestimmt dieses die Reichweite der Nacherfüllung. Die geschuldete Werkleistung ist dabei im Wege der Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werks, die auf einer im Zeitpunkt der Abnahme vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit des Werks beruhen*).

Ein Auftraggeber (AG) beauftragte den Auftragnehmer (AN) mit der Wartung seines PKW‘s. Der AN ersetzte im Zuge dessen den Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen. Nach Abnahme tauchten Probleme an der Lenkung auf. Der AG ließ seinen PKW in eine andere Werkstatt abschleppen, weil der AN Betriebsferien hatte. Dort wurde festgestellt, dass der Keilrippenriemen gerissen war, weil der AN diesen nicht richtig gespannt hatte. Der gerissene Riemen hatte den Zahnriemen, die Lichtmaschine und die Servolenkungspumpe beschädigt. Der AG ließ daraufhin Keilrippenriemen, Riemenspanner, Zahnriemen, Servolenkungspumpe und Lichtmaschine in dieser anderen Werkstatt ersetzen, ohne vorher den AN zur Nacherfüllung aufgefordert zu haben. Er verlangt die Kosten für diese Reparatur ersetzt. Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hatte jedoch die Revision im Hinblick auf die uneinheitliche OLG-Rechtsprechung zugelassen.

Der BGH gibt dem AG recht. Zur Abgrenzung der Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB) und Schadensersatz neben der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 281 BGB) führt der BGH aus, dass der Schadensersatzanspruch statt der Leistung an die Stelle der geschuldeten Werkleistung tritt und damit das Leistungsinteresse des Bestellers erfasst. Seine Durchsetzung erfordert grundsätzlich eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, um dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit zur Erbringung der geschuldeten Werkleistung zu geben. Vom Schadensersatz neben der Leistung sind hingegen über das Leistungsinteresse hinausgehende Vermögensnachteile, insbesondere Folgeschäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers als dem Werk selbst oder an dessen Vermögen erfasst. Eine Aufforderung zur Nacherfüllung braucht es deshalb nicht. Aufgrund dessen hat der AN die Kosten für den Austausch der Lichtmaschine und der Servolenkungspumpe als Schadensersatz neben der Leistung zu erstatten.

Fazit:

Bei den geltend gemachten Ansprüchen handelt es sich um die Beseitigung weiterer aufgrund der mangelhaften Werkleistung eingetretener Schäden am Fahrzeug des AG. Nur die Kosten für den Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens vom Schadensersatz statt der Leistung erfasst, weil diese das geschuldete Werk selbst, also die mangelhaft ausgeführte Wartung betrafen. Nur dieser Anspruch setzt grundsätzlich eine Aufforderung zur Mängelbeseitigung unter Fristsetzung voraus. Allerdings könnte diese vorliegend gem. §§ 636, 281 Abs. 2 BGB wegen eines besonderen Interesses des AG an einer einheitlichen Reparatur entbehrlich sein. Mit diesem Urteil hat der BGH erstmals seit der Schuldrechtsreform klargestellt, dass die Abgrenzung zwischen "engen" und "entfernten" Mangelfolgeschäden zukünftig keine Rolle mehr spielt.

Autor

Dr. Thomas Hildebrandt

Dr. Thomas Hildebrandt

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