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Rückzahlungsansprüche des Auftraggebers gegen den Auftragnehmer verjähren auch ohne Abnahme und Schlussrechnungslegung!

OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2016 – 22 U 176/14; BGH, Beschluss vom 07.02.2018 – VII ZR 66/16 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf verjähren Rückzahlungsansprüche des Auftraggebers (AG) gegen den Auftragnehmer (AN) wegen Überzahlung der Abschlagsrechnungen innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem die geschuldeten Leistungen fertig gestellt wurden und die Frist zur Erstellung der Schlussrechnung abgelaufen ist, und zwar unabhängig davon, ob die Werkleistungen des AN abgenommen wurden und der AN die Schlussrechnung gestellt hat.
Der AG nimmt den AN auf Rückzahlung angeblich zu viel geleisteter Abschlagszahlungen in Höhe von 56 Mio. Euro in Anspruch. Hiergegen hat der AN die Einrede der Verjährung erhoben. Der AN ist der Ansicht, dass der Rückzahlungsanspruch des AG mit der Fertigstellung seiner Leistungen und dem Eintritt der Schlussrechnungsreife im Jahr 2004 fällig geworden sei. Mithin sei ein Anspruch des AG mit Ablauf des 31.12.2007 verjährt. Der AG ist der Meinung, dass ein Rückzahlungsanspruch wegen Überzahlung der Abschlagsrechnungen erst mit der Vorlage der Schlussrechnung fällig werde und erst mit diesem Ereignis die Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Da der AN die Schlussrechnung im Jahr 2006 gestellt habe, verjähre der Rückzahlungsanspruch – ungeachtet etwaiger verjährungshemmender Maßnahmen - mit Ablauf des 31.12.2009. Auf Grund der Verjährungseinrede weist das Landgericht die Klage ab. Hiergegen wendet sich der AG mit der Berufung.

Das Urteil

Die Berufung des AG bleibt ohne Erfolg! Zunächst stellt das OLG Düsseldorf unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH klar, dass sich Ansprüche des AG gegen den AN auf Rückzahlung von Überzahlungen wegen der von ihm auf den Bauvertrag geleisteten Abschlagszahlungen nicht aus dem Bereicherungsrecht (§ 812 BGB), sondern aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Werkvertrag ergeben. Abschlagzahlungen nach § 16 Abs. 1 VOB/B oder aufgrund besonderer vertraglicher Abreden erfolgen nicht ohne Rechtsgrund, sondern haben ihre Grundlage in dem mit Vertragsschluss entstandenen Werklohnanspruch in Verbindung mit der vertraglichen Abrede über Abschlag- und Vorauszahlungen. Wenn also die Summe der Voraus- und Abschlagszahlungen die dem AN zustehende Gesamtvergütung übersteigt, ist dieser aufgrund der stillschweigend getroffenen Abrede zur Zahlung in Höhe des Überschusses an den AG verpflichtet. Die Verjährungsfrist eines solchen Rückzahlungsanspruchs beträgt gem. § 195 BGB 3 Jahre und beginnt gem. § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Zwar sieht auch das OLG Düsseldorf, dass nach Ansicht des BGH und einiger Oberlandesgerichte ein Rückzahlungsanspruch des AG auf Grund zu viel geleisteter Abschlagszahlungen in der Regel erst dann fällig wird, wenn der AG das Leistungsverzeichnis (LV), die Aufmaßunterlagen und die Schlussrechnung kennt und aus diesen Unterlagen eine vertragswidrige Abrechnung und Massenermittlung ohne weiteres ersichtlich sind. Gleichwohl argumentiert das OLG Düsseldorf, dass diese Rechtsprechung nicht so zu verstehen sei, dass nur dann von Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis auszugehen sei, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. Ob bei dem AG Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen vorliegt, richte sich vielmehr nach den von der Rechtsprechung zu § 199 Abs. 1 BGB entwickelten allgemeinen Grundsätzen und einer Einzelfallbetrachtung. Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit, dass der AG bereits deutlich vor der Erstellung der Schlussrechnung durch den AN und der Abnahme Strafanzeige gegen einzelne Mitarbeiter des AN wegen angeblich vorsätzlich fehlerhafter Abrechnung erhoben hat. Das OLG Düsseldorf schlussfolgert daraus, dass dem AG bereits zu diesem Zeitpunkt bewusst gewesen sei, dass eine Überzahlung vorliege. In diesem Zusammenhang sei es für den Eintritt der Fälligkeit unerheblich, dass der Anspruch zu diesem Zeitpunkt noch nicht der Höhe nach bezifferbar gewesen sei. Um eine Forderung klageweise geltend machen zu können, genüge es, dass eine Feststellungs- und Stufenklage erhoben werden könne. Darüber hinaus sei die Abnahme keine Voraussetzung für das Entstehen des Rückzahlungsanspruchs. Mit der Abnahme nehme der AG das Werk des AN als im Wesentlichen vertragsgerecht entgegen (§ 640 BGB, § 12 VOB/B), was mit der Frage, ob zu seinen Gunsten ein Überschuss hinsichtlich geleisteter Abschlagszahlungen vorliegt, nicht zu tun habe.

Fazit

Obwohl der Entscheidung des OLG Düsseldorf die Besonderheit zu Grund lag, dass aus der Strafanzeige des AG auf seine Kenntnis hinsichtlich eines Rückzahlungsanspruchs geschlussfolgert werden kann, steht das OLG mit dieser Rechtsauffassung nicht alleine da. Auch andere Oberlandesgerichte stellen für die Fälligkeit der Rückzahlungsforderung des AG wegen Überzahlung der Abschlagsrechnungen auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der Werkleistungen und den Ablauf der in § 14 Abs. 3 VOB/B genannten Frist zur Stellung der Schlussrechnung ab, und zwar unabhängig davon, ob die Werkleistungen abgenommen sind und die Schlussrechnung gestellt wurde (vgl. KG Berlin, Urt. v. 16.06.2009 – 27 U 157/08; OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.07.2010 – 4 U 569/09; KG Berlin, Urt. v. 26.02.2016 – 7 U 37/15; BGH, Beschl. v. 10.08.2016 – VII ZR 79/16 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)). Demgegenüber vertreten der BGH und andere Oberlandesgerichte die Meinung, dass der Rückzahlungsanspruch in der Regel erst mit der Stellung der Schlussrechnung des AN fällig wird (vgl. BGH, Urt. v. 19.03.2002 – X ZR 125/00; BGH, Urt. v. 08.05.2008 - VII ZR 106/07; KG Berlin, Urt. v. 19.11.2010 – 7 U 97/10; OLG Bremen, Urt. v. 16.01.2014 – 3 U 44/13 (nicht rechtskräftig); OLG Koblenz, Beschl. v. 12.12.2014 – 8 U 833/13; BGH Beschl. v. 24.01.2018 – VII ZR 247/15 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen); OLG Koblenz, Beschl. v. 06.12.2014 - 2 U 1116/1; BGH, Beschl. v. 06.04.2016 - VII ZR 45/14 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)).

Nicht selten kommt es vor, dass der AN erst deutlich nach Fertigstellung und Ablauf der in § 14 Abs. 3 VOB/B geregelten Fristen die Schlussrechnung legt. Weigert sich der AN, die Schlussrechnung zu legen, kann der AG die Schlussrechnung für den AN erstellen, § 14 Abs. 4 VOB/B. Da aber Zahlungsansprüche des AN grundsätzlich erst mit der Abnahme, der Legung der Schlussrechnung und dem Ablauf der Prüffrist gem. § 16 Abs. 3 VOB/B fällig werden, tritt die Verjährung von vermeintlichen Zahlungsansprüchen des AN gegen den AG aus der Schlussrechnung und die Verjährung von vermeintlichen Rückzahlungsansprüchen des AG gegen den AN wegen Überzahlung der Abschlagsrechnungen nach der dargestellten Rechtsprechung des OLG Düsseldorf unter Umständen zu verschiedenen Zeitpunkten ein. Vor dem Hintergrund der nicht einheitlichen Rechtsprechung ist der AG daher gut beraten, möglichst frühzeitig etwaige Rückzahlungsansprüche dem Grunde und der Höhe nach zu überprüfen und vorsorglich verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen.

Autor

Dr. Danilo Rosendahl

Dr. Danilo Rosendahl

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