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Verlängerung der Mängelgewährleistungsfrist durch einseitige Ergänzung des Auftraggebers im Abnahmeprotokoll

Die Mängelgewährleistungsfrist wird durch einseitige Ergänzung des Abnahmeprotokolls durch den Auftraggeber verlängert, obwohl der Auftragnehmer einer derartigen Verlängerung tatsächlich nicht zustimmen wollte. Für die Wirksamkeit der Verlängerung reicht es vielmehr aus, dass der Auftraggeber – auch ohne entsprechenden Erklärungswillen – das Abnahmeprotokoll mit der Ergänzung unterzeichnet hat.

OLG Bamberg, Urteil vom 26.06.2018 – 5 U 99/15

Der Entscheidung liegt ein Fall zugrunde, in dem der Auftraggeber zur Erbringung von Rohbauarbeiten sowie Fassadenarbeiten mit Wärmeverbundsystem und Abdichtungsarbeiten für den Neubau eines Mehrfamilienhauses beauftragt war. In den Bauvertrag war unter anderem die VOB/B (Stand 2002) einbezogen worden. Hinsichtlich der Mängelansprüche sieht der Bauvertrag abweichend von der VOB/B eine Verjährungsfrist von fünf Jahren und für die Dachabdichtungsarbeiten eine Verjährungsfrist von zehn Jahren vor. Nach Fertigstellung und im Anschluss von Abnahmebegehungen unterzeichnete der Auftragnehmer ein Abnahmeprotokoll, welches – entgegen der Vereinbarung im Bauvertrag – eine verlängerte Gewährleistungsfrist von zehn Jahren auch für die Fassade und die Gebäudetrennfugen vorsieht. Nach Ablauf von fünf Jahren rügte der Auftraggeber Mängel an der Fassade und forderte den Auftragnehmer unter Bezugnahme auf die längere Gewährleistungszeit in dem – von dem Auftraggeber unterschriebenen – Abnahmeprotokoll zunächst unter Fristsetzung zur Nachbesserung auf. Nach fruchtlosem Fristablauf machte die Klägerin einen Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung geltend. Der Auftragnehmer erhob die Einrede der Verjährung.

Das Landgericht Coburg (Urteil vom 16.04.2015 – 1 HKO 30/14) wies die Kostenvorschussklage des Auftraggebers in erster Instanz ab mit der Begründung, dass dessen Ansprüche gemäß § 214 Abs. 1 BGB verjährt seien. Die Mängelgewährleistungsfrist habe gemäß Bauvertrag und vorvertraglicher Verhandlungen unstreitig nur fünf Jahre betragen. Die Angaben in dem Abnahmeprotokoll stellten keine Willenserklärungen der Parteien in Bezug auf die Fassade dar. Es sei davon auszugehen, dass dem Auftragnehmer bei Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls das grundsätzlich erforderliche Erklärungsbewusstsein gefehlt habe. Zudem könne sich die Klägerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf eine Vertragsänderung berufen, § 242 BGB.

Das OLG Bamberg gab der von dem Auftraggeber eingelegten Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil statt und verurteilte den Auftragnehmer zur Zahlung des begehrten Kostenvorschusses. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht an, dass der Anspruch nicht verjährt sei. Die Parteien hätten im Abnahmeprotokoll eine veränderte Gewährleistungsfrist vereinbart. Damit hätten sie Erklärungen abgegeben, die auf die Hervorbringung eines rechtlichen Erfolges gerichtet gewesen seien. Hintergrund sei die von den Parteien des Bauvertrages gewünschte Festlegung eines einheitlichen Beginns der Verjährungsfrist für die unterschiedlichen Gewerke gewesen. Schon deshalb handele es sich nicht um die bloße Wiederholung eines Datums; vielmehr hätten die Parteien ganz bewusst die Änderung der Gewährleistungsfrist herbeiführen wollen. Den Auftragnehmer entlaste es nicht, soweit er seine Unterschrift ohne nähere Prüfung auf das Abnahmeprotokoll gesetzt hat, weil er durch Unterzeichnung des Abnahmeprotokolls der veränderten Gewährleistungsfrist zugestimmt habe.

Die Entscheidung überzeugt. Natürlich sind die in Abnahmeprotokollen aufgenommenen Erklärungen Willenserklärungen und keine bloßen Wissenserklärungen, mit denen eine Partei lediglich die Teilnahme an einem Abnahmetermin bestätigt. Die Abnahme selbst stellt eine rechtsgeschäftliche Erklärung des Auftraggebers dar, mit der er die von dem Auftragnehmer erbrachte Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht und mangelfrei billigt und damit die von der Abnahme der Werkleistung abhängigen Rechtsfolgen, nämlich der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs (§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB), dem Beginn der Mängelgewährleistungsfrist (§ 634a Abs. 2 BGB) und dem Gefahrübergang (§ 644 Abs. 1 Satz 1 BGB), in Gang setzt. Die Vertragsfreiheit gebietet es, im Zuge dieser Erklärung auch weitere Vereinbarungen mit der anderen Partei zu treffen oder auch nachträglich Änderungen an den ursprünglichen vertraglichen Regelungen vorzunehmen.

Autor

Hauke Meyhöfer

Hauke Meyhöfer

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