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Ein fehlendes gemeinsames Aufmaß führt nicht dazu, dass der Auftragnehmer keine Werklohnforderung mehr geltend machen kann oder diese zumindest nicht fällig ist.

OLG Köln, Urteil vom 05.07.2017 - 16 U 138/15

Der Kläger, ein Insolvenzverwalter über das Vermögen der Elektrowerkstätten E GmbH macht Restwerklohnklage bezüglich eines Bauvorhabens geltend, im Rahmen dessen die Gemeinschuldnerin Leistungen in Form von Lieferung und Montage der MSR Technik erbracht hat. Hierbei stützte er sich mit einem Betrag von EUR 13.082,06 auf die Schlussrechnung vom 30.11.2009 nebst Aufmaßzusammenstellung. Die Beklagte wendete hiergegen ein, die Abrechnung sei abredewidrig nicht auf der Basis eines gemeinsamen Aufmaßes erfolgt und bestritt die Richtigkeit des Aufmaßes. Zudem rechnete sie mit einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 18.619,00 auf. Hilfsweise rechnete sie mit ihr entstandenen Ersatzvornahmekosten in Höhe von EUR 17.105,32 auf. Nachdem das Landgericht den Klagebetrag insofern zugesprochen hatte, erhob die Beklagte hiergegen Berufung. Die Abrechnung sei abredewidrig nicht auf der Basis eines gemeinsamen Aufmaßes erfolgt, das Aufmaß der Gegenseite werde bestritten. Zudem rechnete sie mit einer Vertragsstrafe in Höhe von EUR 18.619,00 auf. Hilfsweise rechnete sie mit entstandenen Ersatzvornahmekosten in Höhe von EUR 17.105,32 auf.

Das OLG Köln bestätigte das Urteil des Landgerichts und setzt sich in seiner Begründung noch einmal ausführlich mit der Darlegungs- und Beweislast im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Werklohn bei Vereinbarung eines gemeinsamen Aufmaßes auseinander. Demnach führt das fehlende gemeinsame Aufmaß nicht dazu, dass der Werkunternehmer keine Werklohnforderung mehr geltend machen kann oder diese zumindest nicht fällig wird (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.1999, VII ZR 127/98 = BauR 1999, 1185, Rn. 12 f; Werner-Pastor, a.a.O., Rn. 1869). Zwar habe der Werkunternehmer nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die in der Rechnung geltend gemachten Leistungen tatsächlich erbracht worden sind (BGH a.a.O.). Jedoch dürfte der Besteller aufgrund seiner nach § 138 Abs. 1 ZPO bestehenden Pflicht zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärung die Angaben des Unternehmers nicht einfach pauschal bestreiten (vgl. Vowinkel, NZBau 2017, 258, 259). Auf der anderen Seite, so dass OLG, erscheine es zu weitgehend, immer dann, wenn der Werkunternehmer seine Leistungen anhand eigener Aufmaßblätter darlegt, vom Auftraggeber zu verlangen, dass er substantiiert darlegt, weshalb das Aufmaß unrichtig ist (so KG, Beschl. vom 15.04.2014, 27 U 152/13 = IBR 2017, 363). Andererseits sei es auch verfehlt, generell ein einfaches Bestreiten genügen zu lassen, weil der Unternehmer es in der Hand habe, ein gemeinsames Aufmaß herbeizuführen (so OLG Bamberg, Beschl. vom 11.04.2016 - 4 U 196/15 = BauR 2016, 1778, Rn. 24). Die erste Sichtweise berücksichtige nicht ausreichend, dass die verlangten Erklärungen zumutbar sein müssen und eine Erklärungspflicht - wie auch für das Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) anerkannt - nur im Rahmen des präsenten oder durch Nachforschungen im eigenen Geschäftsbereich erlernten Wissens besteht (vgl. nur Zöller-Greger, ZPO 31. Aufl. 2016, 138 ZPO, Rn. 13-16 meines Wissens nach). Die zweite Ansicht übersehe, dass die in der konkreten Prozesssituation bestehenden Erklärungspflichten des Prozessgegners gem. § 138 ZPO unabhängig davon sind, ob der Prozessführer zu einem früheren Zeitpunkt materiell die Möglichkeit gehabt hätte, die Prozesslage zu seinen Gunsten zu gestalten. Vorliegend genüge die Beklagte mit ihrem pauschalen Bestreiten des vom Kläger vorgelegten Aufmaßes nicht ihrer Erklärungslast weil sie konkrete Kenntnis von den Leistungen, die die Schuldnerin erbracht hat, habe. Dies sei insbesondere daraus zu schließen, dass sie mit einer Gegenforderung in Höhe von EUR 17.105,32 für die Mehrkosten aufrechnet, die ihr durch Einschaltung von Drittfirmen zur weiteren Ausführung der von der Schuldnerin abgebrochenen Bauleistungen entstanden seien. Wenn der Beklagten nach ihrem eigenen Vorbringen daher die Bezifferung der Fertigstellungsmehrkosten möglich ist, hätte sie auch dazu vortragen können und müssen, welche konkreten Leistungen die Schuldnerin nicht erbracht hat.

Fazit:

Der Auftraggeber hat grundsätzlich vorzutragen und zu beweisen, dass die in der Rechnung geltend gemachten Leistungen tatsächlich erbracht worden sind. Der Auftragnehmer sollte sich daher in erster Linie tatsächlich um ein gemeinsames Aufmaß bemühen. Wenn keine konkrete Kenntnis von den Leistungen des Auftragnehmers vorliegt und die Mengen auch durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht nachvollzogen werden können, weil das Aufmaß aus sich heraus nicht verständlich ist, kann die Vergütungsforderung letztlich nicht durchgesetzt werden.

Autor

Julia Barnstedt

Julia Barnstedt

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