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Rückgabezeitpunkt der Vertragserfüllungsbürgschaft darf nicht an die Mängelbeseitigung gekoppelt sein

Urteil vom OLG Hamm, Urteil vom 09.02.2017, Az.: 24 U 129/15

Die Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, wonach der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 % der Auftragssumme zu stellen hat, die der Auftraggeber über den Zeitpunkt der Abnahme hinaus so lange einbehalten darf, bis etwaige im Abnahmeprotokoll aufgeführte Mängel erledigt sind, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist unwirksam. *)

Im vorliegenden Fall nahm die Klägerin als Auftraggeberin die Beklagte als Bürgin für den Auftragnehmer auf Zahlung in Anspruch. Auftraggeber und Auftragnehmer hatten einen VOB/B-Bauvertrag geschlossen, in welchem die Berechtigung für den Auftraggeber enthalten war, einen Gewährleistung-Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % der geprüften Bruttoschlussrechnungssumme in Abzug zu bringen. Der Sicherheitseinbehalt galt für eine Verjährungsfrist für Gewährleistungsansprüche von fünf Jahren als vereinbart und konnte durch eine Bürgschaft abgelöst werden. Zur Vertragserfüllungsbürgschaft waren folgende Regelungen aufgenommen worden:

㤠11.1:

Zur Absicherung sämtlicher Ansprüche des Auftraggebers aus diesem Vertrag übergibt der Auftragnehmer diesen bis spätestens 14 Tage nach Vertragsschluss eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von EUR 400.000,00. …Die Vertragserfüllungsbürgschaft muss textlich dem Muster der Anlage 17 entsprechen.“

In Anlage 17 heißt es:

„Die Grundlagen dieses Vertrages sind: das Muster einer Vertragserfüllungsbürgschaft (Anlage 17).“

In der beigefügten Muster-Bürgschaftsurkunde heißt es auszugsweise wie folgt:

„Gemäß der vertraglichen Vereinbarung ist der Auftragnehmer verpflichtet, für die vertragsgemäße Ausführung der ihm übertragenen Leistungen einschließlich der Abrechnung dem Auftraggeber eine Bürgschaft in Höhe von 10 % der Brutto-Auftragssumme zu stellen.“

„Die Bürgschaft gilt für sämtliche Ansprüche, insbesondere für die Ansprüche aus Überzahlung des Auftragnehmers einschließlich der Zinsen, wegen Nichterfüllung, wegen Schlechterfüllung aus Vertragsstrafe und ungerechtfertigter Bereicherung.“

„Die Bürgschaft ist unbefristet. Sie ist bei mangelfreier Erfüllung des Vertrages, spätestens nach Erledigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel, zurückzugeben. Dies gilt nicht, wenn zu dieser Zeit Ansprüche des Auftraggebers noch nicht erfüllt sind.“

Das Landgericht hatte die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass der Beklagten als Bürgin gemäß § 768 Abs. 1 S. 1 BGB die Einwendungen der Schuldnerin aus der Sicherungsabrede mit der Klägerin zustehen und sie sich somit auf die Unwirksamkeit dieser berufen konnte, weil eine unangemessene Benachteiligung der Schuldnerin durch die Vertragsbedingungen vorlag. Diese unangemessene Benachteiligung bestand insbesondere darin, dass die Auftragnehmerin nach dem Vertrag für einen jedenfalls erheblichen Zeitraum über die Abnahme hinaus weiterhin die Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 % sowie eine Gewährleistungsabsicherung in Höhe von 5 % stellen musste. Dies führte zu einem Einbehalt von 15 %, welcher zu einer Übersicherung des Auftraggebers führte. Hiergegen wendete sich die Klägerin mit der Berufung. 

Entscheidung:

Ohne Erfolg. Das OLG Hamm bestätigte die Auffassung des Landgerichts und begründete ebenfalls, dass die Sicherungsabrede zwischen Hauptschuldner und Gläubiger in diesem Fall unwirksam war. Demgemäß konnte sich die Beklagte als Bürgin auf die Einrede der Bereicherung gemäß §§ 812, 768 BGB berufen. Dabei war zwischen den Parteien unstreitig, dass die Vertragsbedingungen einseitig von der Klägerin gestellt und für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt waren. Beide Parteien hatten den Vertrag mit den hier aufgeführten Klauseln unter-zeichnet, so dass diese als Allgemeine Geschäftsbedingungen in den Vertrag mit einbezogen wurden.

Das OLG Hamm stellte darauf ab, dass eine unangemessene Benachteiligung i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dann vorliegt, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Im vorliegenden Fall folgte dies aus dem Zusammenwirken der einzelnen Vertragsbestimmungen. Zwar waren die Regelungen zur Stellung der Vertragserfüllungsbürgschaft an sich wirksam, weil die Vertragserfüllungsbürgschaft aber noch für die Zeit nach der Abnahme des Werkes einbehalten werden durfte und insofern die Regelungen des Bürgschaftsmusters unbestimmt waren, lag eine unangemessene Benachteiligung vor. Die Sicherungsabrede des § 11 war ohne den Verweis auf das Muster der Anlage 17 nicht vollständig und nicht verständlich. Demzufolge war der Inhalt des Musters maßgeblich. Die dort enthaltenen Regelungen erlaubten es der Klägerin die Vertragserfüllungsbürgschaft über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinaus nach der Abnahme noch zurückzubehalten, solange Mängel bzw. die Mängelbeseitigung im Streit zwischen den Parteien standen.

Im Ergebnis kann auch ein ganz geringer Anspruch hinsichtlich der Mängelbeseitigung dazu führen, dass die Bürgschaft in Höhe von EUR 200.000,00 zurückbehalten werden könnte. Da-rin liegt eine unangemessenen Belastung des Auftragnehmers, die geeignet ist, gegebenenfalls seine Liquidität zu gefährden, insbesondere unter Berücksichtigung, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung über im Abnahmeprotokoll aufgeführte Mängel nicht selten mehrere Jahre dauern kann und der Auftraggeber solange von seinem Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Vertragserfüllungsbürgschaft Gebrauch machen könnte.

Fazit:            

                                                                                                                
Im vorliegenden Fall war die Sicherungsabrede somit aufgrund der benachteiligenden Formulierungen in Vertrag und Anlagenmuster unwirksam und stellte eine unangemessene Benachteiligung des Auftraggebers dar.

Auf der Linie der herrschenden Rechtsprechung liegt zudem das Ergebnis, dass eine Kumulierung der Sicherheiten für den Zeitpunkt nach der Abnahme auf 15 % unwirksam ist, weil es die vertragliche Regelung ermöglicht hätte, dass neben der Zurückbehaltung der Vertragserfüllungsbürgschaft auch noch ein Gewährleistung-Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % in Abzug gebracht werden konnte. Eine Kumulation der Sicherheiten ist nach aktuell geltender Rechtsprechung bereits in Höhe von 7 % als unwirksam anzusehen.

 

Autor

Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.

Eva Hildebrandt-Bouchon, M.A.

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