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Nutzungsvereinbarungen für Windenergieanlagen / Miete oder Pacht? - Eine rechtliche Einordnung

Bei der Bewertung von Nutzungsvereinbarungen zwischen Grundstückseigentümer*innen und Betreiber*innen der Windenergieanlage stellt sich aus juristischer Sicht zunächst die Frage nach der Rechtsnatur eines solchen Vertrags.

Eine Nutzungsvereinbarung für Windenergieanlagen wird in der Regel entweder einen Mietvertrag gemäß §§ 531 ff. BGB oder einen Pachtvertrag gemäß §§ 581 ff. BGB darstellen. Welche Form im Einzelfall vorliegt, hängt dabei nicht primär davon ab, ob die Parteien den Vertrag ausdrücklich als Miet- oder Pachtvertrag bzw. ob sie das vereinbarte Entgelt als Miete oder Pacht bezeichnen. Entscheidend ist, ob der Vertrag seinem Inhalt nach eher der einen oder der anderen Vertragsart zuzuordnen ist.

Fehlt eine ausdrückliche Zuordnung, kann die Bestimmung der Rechtsnatur mitunter schwierig sein. Grundsätzlich bestimmt sich die Abgrenzung zwischen Miet- und Pachtvertrag dann vor allem nach dem Vertragszweck. Soll der/die Betreiber*in nur Gebrauchsvorteile aus dem Grundstück erhalten, liegt ein Mietvertrag vor; soll er darüber hinaus auch die sogenannten „Früchte“ aus dem Grundstück ziehen können, handelt es sich um einen Pachtvertrag (MüKoBGB/Harke, 9. Aufl. 2023, BGB § 581 Rn. 17). Früchte einer Sache sind gem. § 99 BGB ihre Erzeugnisse und die sonstige Ausbeute, welche aus der Sache ihrer Bestimmung gemäß gewonnen wird.

Fraglich ist vor diesem Hintergrund zunächst, ob es sich bei der aus Windenergie gewonnenen Elektrizität um ein solches Erzeugnis des Grundstücks handelt. Insofern wird wohl nichts anderes gelten, als für Photovoltaikanlagen (a.a.O., Rn. 19): Für diese bestand in der Rechtsprechung lange die Ansicht, dass Verträge zur Überlassung von Grundstücken zur Errichtung und Betrieb von Photovoltaikanlagen als Pachtverträge einzuordnen seien. Der BGH entschied jedoch davon abweichend mit Urteil aus dem Jahr 2018, dass es sich bei der Elektrizität, die mittels der vom Nutzungsberechtigten selbst zu errichtenden Photovoltaikanlage gewonnen werden soll, um keine Frucht des Grundstücks handele (BGH, Urteil vom 07.03.2018 – XII ZR 129/16, NJW 2018, 1540 Rn. 14, beck-online). Da für Wind insoweit das gleiche gelten dürfte, wie für Sonnenstrahlen, wird der WEA-Nutzungsvertrag in solchen Fällen daher als Mietvertrag einzuordnen sein.

Anders dürfte dies wohl jedoch in Konstellationen sein, in denen das an den/die Betreiber*in zu überlassende Grundstück bereits mit einer fertig errichteten Windenergieanlage ausgestattet ist oder der/die Grundstückseigentümer*in bei der Errichtung der Windenergieanlage wesentlich mitwirkt (Maslaton/Böhlmann-Balan, Windenergieanlagen, 2. Aufl. 2018, Kap. 3, Ziff. I.1, Rn. 9 - 11). In Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung zur Überlassung von Geschäftsräumen (BGH, Urteil vom 27.03.1991 - XII ZR 136/90, NJW-RR 1991, 906, beck-online) wird der WEA-Nutzungsvertrag im ersteren Fall als Pachtvertrag anzusehen sein, weil das für den Geschäftsbetrieb vorgesehene Inventar (hier: die WEA) bereits von dem/der Grundstückseigentümer*in auf dem Grundstück zur Verfügung gestellt wird. Im letzteren Fall kommt es auf eine Betrachtung der vertraglichen Konstellation im Einzelfall an. So ist z.B. ebenfalls ein Pachtvertrag anzunehmen, wenn „eine günstige Bezugsquelle nachgewiesen oder auch ein günstiger Anschaffungskredit bereitgestellt worden ist“ (a.a.O.).

Wenn die Parteien keine ausdrückliche Zuordnung zum Miet- oder Pachtvertrag treffen und auch der Vertragszweck eine solche Zuordnung nicht erkennen lässt, kann dies die getroffene Vereinbarung mit erheblichen Unsicherheiten belasten, die früher oder später zu Streit führen könnten. So hatte das OLG Schleswig mit Urteil aus dem Jahr 2016 in einem Einzelfall zu entscheiden, ob ein ihm vorliegender Vertrag ohne solche ausdrückliche Zuordnung wirksam nach den gesetzlichen Bestimmungen des Mietrechts gekündigt werden konnte (OLG Schleswig Urt. v. 17.06.2016 – 4 U 96/15, BeckRS 2016, 140122, beck-online; hierauf bezugnehmend s. auch OLG Hamm Urt. v. 26.11.2020 – 5 U 112/19, BeckRS 2020, 44534, beck-online). Nicht zuletzt mangels klarer Anhaltspunkte im Vertrag für das Vorliegen eines Miet- oder Pachtvertrags lehnte das Gericht eine Einordnung zu einer dieser Vertragsarten ab und kam zu dem Schluss, dass der streitgegenständliche Vertrag lediglich eine Vereinbarung über die Bestellung einer Dienstbarkeit und die Kündigung daher unwirksam gewesen sei.

Fazit:

Welche Vertragsart einschlägig ist, hat entscheidende rechtliche Auswirkungen: Während bei einem Mietvertrag der/die Vermieter*in für die Instandhaltung der Mietsache verantwortlich ist (§ 535 Abs. 1 S. 2 BGB), trifft diese Verantwortung bei einem Pachtvertrag grundsätzlich den/die Pächter*in (§ 582 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus gelten jeweils grundsätzlich unterschiedliche Regeln für Vertragskündigungen. Ist eine Zuordnung zu einer der beiden Vertragsarten nicht möglich, birgt dies erhebliche Rechtsunsicherheiten.

Vor diesem Hintergrund sollte zur Vorbeugung von Streitigkeiten möglichst eine klare inhaltliche Zuordnung durch die Parteien erfolgen.

Autor

Arne Mafael

Arne Mafael

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