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Die Verjährung von Mängelansprüchen bei fehlender Abnahme

Nach Ansicht des OLG Düsseldorf (Urt. v. 25.04.2019 – 5 U 91/18) beginnt die Verjährung von Mängelansprüchen des Auftraggebers (AG) bei Fehlen einer Abnahme frühestens mit dem Übergang in ein Abrechnungsverhältnis. Die Verjährungsfrist beträgt dabei nicht 3 Jahre gemäß § 195 BGB, sondern vielmehr 5 Jahre gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Ausgangslage

Bei der Frage, welche Rechte dem AG gegen den Auftragnehmer (AN) wegen unzureichender Vertragserfüllung zustehen, ist grundsätzlich danach zu differenzieren, in welchem Vertragsstadium sich die Parteien befinden. Vor der Abnahme befinden sich die Parteien noch in der Erfüllungsphase. Kommt der AN in dieser Phase seinen vertraglichen Pflichten nicht nach, kann der AG gemäß § 631 Abs. 1 BGB Erfüllung und bei Schlechtleistung u.a. Schadensersatz gemäß §§ 280 BGB ff. verlangen (vgl. Palandt, BGB, § 280, Rn. 17). Für diese Ansprüche gilt grundsätzlich die 3-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB (vgl. a.a.O., § 195, Rn. 10). Diese Frist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit Ablauf des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der AG von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Mit der Abnahme gemäß § 640 BGB wandelt sich die Erfüllungsphase in die Gewährleistungsphase. Ab diesem Moment richten sich die Ansprüche des AG nach § 634 BGB (vgl. Leinemann-Jansen, VOB/B, § 12, Rn. 36 m.w.N.). Gewährleistungsansprüche des AG wegen Baumängel verjähren gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich innerhalb von 5 Jahren ab Abnahme.

Das heißt, Ansprüche des AG vor und nach der Abnahme verjähren u.U. zu unterschiedlichen Zeitpunkten. In der Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob für Mängelansprüche des AG bei nicht erfolgter Abnahme die 3-jährige Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB oder die 5-jährige Verjährungsfrist gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt und ab wann diese Frist zu laufen beginnt (diese Thematik ist von der Frage abzugrenzen, unter welchen Voraussetzungen der AG ausnahmsweise berechtigt ist, Ansprüche gemäß § 634 BGB auch vor der Abnahme geltend zu machen).

Ein Teil der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (OLG Naumburg, Urt. v. 27.11.2013 – 6 U 2521/09; OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.03.2010 – 19 U 100/09; OLG Hamm, Urt. v. 21.02.2008 – 21 U 3/07) steht unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 30.09.1999 (NJW 2000, 133) auf dem Standpunkt, dass bei verweigerter Abnahme gar nicht erst Gewährleistungsrechte entstehen, sondern der AG auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht nach §§ 280 BGB ff. verwiesen ist. In der Konsequenz bedeutet das, dass Mängelansprüche schon innerhalb von 3 Jahren gemäß § 195 BGB verjähren. Demgegenüber ist der BGH der Auffassung, dass mit der endgültigen Abnahmeverweigerung die Erfüllungsphase in die Gewährleistungsphase übergeht. Mit diesem Wendepunkt beginnt für Mängelrechte die 5-jährige Gewährleistungsfrist (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1969 – VII ZR 177/67; BGH, Urt. v. 20.12.1973 – VII ZR 153/71; BGH, Urt. v. 08.07.2010 – VII ZR 171/08; OLG Brandenburg, Urt. v. 05.07.2012 – 12 U 231/11; BGH, Beschl. v. 20.03.2014 – VII ZR 225/12 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen); Leinemann-Schliemann, VOB/B, § 13, Rn. 146 m. w. N.). Das OLG Brandenburg (Urt. v. 14.08.2013 – 4 U 191/11) hat die vorstehend zitierte Rechtsprechung des BGH aufgegriffen, steht jedoch auf dem Standpunkt, dass die Gewährleistungsfrist nicht schon mit Erklärung der endgültigen Abnahmeverweigerung beginnt, sondern erst mit Ablauf einer, mit der Abnahmeverweigerung zur Mangelbeseitigung gesetzten, Frist.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.04.2019 – 5 U 91/18

Das OLG Düsseldorf ist jetzt der Ansicht, dass Mängelansprüche in 5 Jahren verjähren, wobei die Frist bei Fehlen einer Abnahme frühestens mit dem Übergang in ein Abrechnungsverhältnis beginnt.

Dem liegt folgender Fall zugrunde:

Der AG beauftragte den AN mit der Sanierung einer Terrasse an einem Wohnhaus. Nachdem der AN die Leistungen abschloss, erfolgte keine Abnahme. U.a. aufgrund nicht fachgerecht hergestellter Anschlüsse zwischen der Hauswand und der Bodenplatte der Terrasse kam es zu Wasserschäden im Untergeschoss des Hauses. Der AG verlangt von seinem Rechtsanwalt, der mit der Geltendmachung der Mängelansprüche beauftragt war, Schadensersatz, weil dieser nach Auffassung des AG die Mängelansprüche habe verjähren lassen. Der AG ist der Ansicht, es gelte die (zwischenzeitlich abgelaufene) 2-jährige Verjährungsfrist gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 1 BGB und nicht die 5-jährige gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB.

Das Urteil:

Die Klage des AG gegen den Rechtsanwalt bleibt ohne Erfolg. Ein Anspruch des AG auf Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung aus §§ 280 Abs. 1, 611, 675 BGB scheitert, weil Mängelansprüche gegen den AN (noch) nicht verjährt sind. Das OLG Düsseldorf führt in seinem Urteil zunächst aus, dass der durch den AN hergestellte Terrassenbelag an sich ein eigenständiges Bauwerk ist und daher die 5-jährige Gewährleistungsfrist gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt. Soweit so gut. Interessanter ist die Tatsache, dass auch das OLG Düsseldorf der Auffassung ist, dass Mängelrechte des AG auch bei nicht erfolgter Abnahme nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB innerhalb von 5 Jahren verjähren, wobei die Frist erst mit der Erklärung, dass die Werkleistungen endgültig nicht abgenommen werden, beginnt. Das OLG Düsseldorf verweist auf die Grundsatzentscheidung des BGH vom 19.01.2017 (VII ZR 235/15) und führt aus, dass allein das Verlangen nach Kostenvorschuss noch nicht zu einem Abrechnungsverhältnis führt. Vielmehr muss der AG unmissverständlich zum Ausdruck bringen, unter keinen Umständen mehr mit dem AN, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen. Der AG muss eine (Nach-)Erfüllung durch den AN endgültig und ernsthaft ablehnen; und zwar selbst für den Fall, dass die Selbstvornahme nicht zu einer mangelfreien Herstellung des Werks führt. Solange ein solches Abrechnungsverhältnis nicht vorliegt, beginnt die Verjährung von Mängelansprüchen nicht zu laufen. In der Entscheidung heißt es:

Nunmehr hat der BGH die Frage der Mängelansprüche vor der Abnahme auch unter Geltung des neuen Rechts jedoch bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2017 – VII ZR 235/15, BeckRS 2017, 103136). Konsequenterweise ist damit auch die für das Gewährleistungsrecht geltende, spezifische Verjährungsregelung des § 634a BGB anzuwenden und im vorliegenden Fall die 5-jährige Frist einschlägig.

[…]

Auch zum Verjährungsbeginn für diesen Fall tragen die Kläger indessen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor. Die Verjährung kann frühestens zu dem Zeitpunkt beginnen, zu dem die Kläger auch ohne Abnahme, etwa infolge des Bestehens eines Abrechnungsverhältnisses, berechtig waren, Gewährleistungsansprüche vor Abnahme geltend zu machen.

[…]

Die Vorschussanforderung allein genügt für die Annahme eines Abrechnungsverhältnisses indessen noch nicht (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl. 2018, Rn. 2847).

Fazit

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf ist wohl richtig. Vor der Abnahme kann der AG grundsätzlich keine Gewährleistungsansprüche nach § 634 BGB geltend machen; er hat („nur“) einen Anspruch auf Erfüllung gemäß § 631 BGB und ggf. Ansprüche aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht (§§ 280 BGB ff.). Erst bei Vorliegen eines Abrechnungsverhältnisses kann der AG Gewährleistungsansprüche nach § 634 BGB auch ohne Abnahme geltend machen (vgl. BGH, Urt. v. 19.01.2017 - VII ZR 301/13). Hiervon abzugrenzen ist die Frage, wann Mängelansprüche verjähren. Die Verjährung solcher Ansprüche beginnt einheitlich und frühestens mit der Abnahme oder alternativ mit dem Entstehen eines Abrechnungsverhältnisses; die Frist beträgt 5 Jahre gemäß § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB. Es wäre unbillig, dass ein AG, der die Abnahme nicht erklären kann (gerade weil erhebliche Mängel vorliegen), auf die kurze Verjährungsfrist des § 195 BGB verwiesen ist, während derjenige, der die Abnahme erklärt, in den Genuss der längeren Gewährleistungsfrist des § 634a BGB kommt. Es wäre nicht nachvollziehbar, dass die vor der Abnahme bereits entstandenen Ansprüche auch dann selbstständig verjähren, wenn sie mit den nach der Abnahme entstandenen Ansprüchen vergleichbar sind. Denn das würde dazu führen, dass der AG nach Verjährung der vor der Abnahme entstandenen Ansprüche die Abnahme erklären könnte und trotz der Vertragswidrigkeit des Werkes erklären müsste, um den Lauf der Verjährung seiner Gewährleistungsansprüche (erneut) in Gang zu setzen.

Um Streitigkeiten darüber zu vermeiden, wann Ansprüche des AG verjähren, hat es der AN in der Hand, für Klarheit zu sorgen, indem er den AG unter Fristsetzung zur Abnahme auffordert. Gleichwohl kann der AG Mängelansprüche nicht grenzenlos geltend machen; er kann diese auch verwirken, § 242 BGB. Verwirkung liegt dann vor, wenn der Berechtigte ein ihm zustehendes Recht längere Zeit nicht geltend macht und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass der Berechtigte das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde.

Autor

Dr. Danilo Rosendahl

Dr. Danilo Rosendahl

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